Lieber Jochen
Machst Du Witze? Es gibt keine Liste christlicher Sexualtherapeuten und Sexualtherapeutinnen nach SEXOCORPOREL. In Deutschland kenne ich (noch) keine persönlich, aber in der Schweiz eine handvoll. Wo sollen denn plötzlich all die christlichen Sexualtherapeuten herkommen? Seit fünf Jahren schreibe ich praktisch im Alleingang auf diese besondere Weise gegen das Elend in den christlichen Ehebetten an, und zwar für den gesamten deutschsprachigen Raum. Die christliche Lebenswelt futiert sich seit 50 Jahren mehrheitlich um einen positiven Zugang zum Thema. Dieses Blatt wendet sich leider nur langsam. Christliche Therapieansätze zu Sexualität, Homosexualität, Pornografie etc. sind eher Anti-Therapien, im Sinne von «etwas abgewöhnen».
Christliche Therapien zur lustvollen Entdeckung und damit zu einer sinnvollen Hinführung zur gewünschten sexuellen Veränderung existieren eigentlich keine. Noch immer sind wir in der christlichen Lebenswelt verhaftet in einer Problem- und Verbotskultur, was Therapieerfolge nicht fördert. Die negative Haltung zur sexuellen Körperlichkeit verhindert sinnvolle sexuelle Entwicklungen bei Kindern und Jugendlichen und notwendige Körpertherapien bei Erwachsenen. Stichworte: Selbstentdeckung, Selbstbefriedigung, sexuelle Selbstsicherheit, gutes Selbstgefühl, den Körper gut bewohnen, Stolzsein auf den (sexuellen) Körper, lustvolle Sexualität. Deshalb – wo immer ich kann, ermutige ich interessierte Menschen, und somit auch Dich, sich eine entsprechende Sexualtherapie anzueignen. Es braucht mehr davon, viel mehr!
15'000 Menschen besuchen monatlich meinen Blog, fast 70 Prozent davon sind Besucher aus Deutschland. Die meisten an mich gerichteten Fragen kommen inzwischen ebenfalls aus Deutschland. Vor lauter Fragen beantworten komme ich neben meinen Beratungssitzungen und Vorträgen kaum noch dazu, Blog-Beiträge zu schreiben. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz wird sich an der sexualtherapeutischen Beratungswüste der christlichen Lebenswelt nicht so bald etwas ändern, solange sich nicht viel mehr Berater und Beraterinnen sexualtherapeutisch ausbilden lassen.
Es wird sich aber auch in Bezug auf die Haltung zur Sexualität nichts ändern, solange theologische und seelsorgerliche Ausbildungsstätten das Thema Sexualität und Sexualtherapie nicht (prominent) auf ihren Lehrplan hieven. Immer wieder habe ich junge Pastoren und Absolventen von theologischen Ausbildungen in der Beratung. Voller moralischer Komplexe, mit riesige Problemen in ihrer eigenen Sexualität, an der sie auf vielfältige Weise scheitern. Mit diesen ungünstigen Voraussetzungen werden sie in der Gemeinde mit Fragen zu Sexualität konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet sind. Denn sie haben in der ganzen Ausbildungszeit wenig Hilfreiches und kein fundiertes Wissen zu Sexualität vermittelt bekommen.
Den Luxus, Therapeuten nach Geschlecht aussuchen zu können, gibt es aus obgenannten Gründen deshalb leider nicht. Ist aber auch nicht notwendig. Professionell ausgebildete Therapeutinnen arbeiten mit allen Menschen. Auch ich berate neben Frauen und Paaren ganz viele Männer. Meine beiden Bücher LIEBESLUST und ALLTAGSLUST beinhalten und beschreiben ein ganzes Therapiekonzept. Deshalb rate ich Dir, Dich für die Beratung Deiner Klientel erst selbst in Deiner Sexualität kompetent zu machen und Dir den Inhalt der Bücher anzueignen. Was ich Dir und der betroffenen Person anbieten könnte, ist eine Intensiv-Beratung bei mir. Das machen öfters Personen/Paare, die von weit herkommen. Sie buchen eine oder zwei Übernachtung in Schaffhausen, und wir machen am ersten Tag am Nachmittag und am zweiten und/oder dritten Tag am Morgen je eine zweistündige Beratungssitzung.
Es gibt inzwischen zum Therapie-Modell Sexocorporel neben allen Ausbildungsangeboten in Deutschland und der Schweiz auch einen Videokurs von LIFE LESSONS "Klinische Sexologie & Sexocorporel" von Dr. med. Karoline Bischof. LIFE LESSONS sind Online Weiterbildungen für Personen in therapeutischen und beratenden Berufen. In ihren über 20 Stunden umfassenden LIFE LESSONS vermittelt Dr. med. Karoline Bischof detailliert und praxisorientiert die wichtigsten Grundlagen des Sexocorporel Ansatzes und stellt fünf spannende Fälle von Einzel- und Paartherapeutischen Sitzungen vor, deren Problemstellungen in ihrer Praxis am häufigsten vorkommen.
Dr. med. Karoline Bischof ist eine der bedeutendsten Vertreterinnen des Sexocorporel im deutschsprachigen Raum. Die Gynäkologin und klinische Sexologin ist Mitgründerin des Zentrums für interdisziplinäre Sexologie und Medizin in Zürich ZISS und leitet neben ihrer eigenen therapeutischen Tätigkeit SEXOCORPOREL Ausbildungen in Berlin, Kisslegg und Zürich. Während Sexocorporel in Frankreich bereits weit etabliert ist, ist der Ansatz im deutschsprachigen Raum gerade erst auf dem Weg zur breiten Öffentlichkeit. Diese therapeutische Konzept nähert sich der Thematik nicht nur auf kognitiv-sprachlicher Ebene, sondern auch ganz praktisch auf der körperlichen.
Wenn die Lust, die Erektion, der Orgasmus, die körperliche Anziehung oder das sexuelle Begehren fehlen, sind wir oft unweigerlich der Überzeugung: Mit mir stimmt etwas grundlegend nicht. Hier eröffnet Sexocorperel eine ebenso beruhigende wie aufregende Perspektive: Die Art, wie wir Menschen Sexualität erleben, was uns erregt und wie wir uns erregen ist das Ergebnis persönlicher und sozialer Lernprozesse. Diese Prozesse haben zum Erwerb verschiedener Fähigkeiten und Grenzen geführt. Und diese sind - wie alle Lernprozesse - beeinflussbar und erweiterbar. Für Therapeut*innen bietet dieses Konzept eine fundierte Theorie und sorgfältige Evaluationsmethoden, verbunden mit konkretem sexologischem Handwerkszeuge.
Lieber Jochen, ich hoffe, dass Dir meine Ausführungen neue Ideen für die Beratung und den Umgang mit Sexualität in Deiner Funktion als Pastor geben. Unten findest Du Hinweise zur Therapeut*innen Suche.
Herzlich - Veronika