Liebe Veronika
Ich kann zwar einen Orgasmus haben, doch irgendetwas in mir sagt, dass da noch viel mehr geht. Ich komme zum Orgasmus, wenn mich mein Mann mit der Zunge unten stimuliert - und ich meine Bauchmuskeln sehr anspanne. Der Weg zum Orgasmus ist für mich anstrengend, auch wenn sich die Anstrengung auszahlt - kurz aber sehr schön. Ich habe das Gefühl, ich muss den Höhepunkt mit viel Kraft tief aus mir herauskitzeln? Geht das auch mit weniger Muskelanstrengung?
Danke sehr für Deine Antwort und Hilfe - wir lesen gerade gemeinsam(!) Dein Buch Liebeslust (uns gegenseitig vor). Das tut uns gut - sozusagen einen Dritten zu Wort kommen zu lassen und unbefangen laut darüber zu lesen.
Herzliche Grüße, Samantha, 31 Jahre
Liebe Samantha
Wir Menschen eignen uns im Laufe der sexuellen Entwicklung unterschiedliche Formen der sexuellen Erregungssteigerung an. Das Sexualkonzept SEXOCORPOREL unterteilt diese in vier Grundmodi:
Modus 1 – mit Druck (der archaische Modus)
In diesem Modus wird die Erregung über Anspannung und Druck gesteigert. Viele Frauen (etwa 1/3) kommen in diesem Modus zum Orgasmus. Sie bewegen sich dabei kaum, sondern üben meist nur Druck auf die Geschlechtsregion aus. Oft liegen sie dabei auf dem Bauch und halten die Beine übereinandergeschlagen. Einige Frauen kommen auf diese Weise effizient zum Orgasmus, doch andere erleben nur ein ganz kurzes „anderes“ Gefühl. Denn die hohe Körperspannung verhindert, dass sich die Erregung im ganzen Körper verteilen kann, was den Orgasmus nicht sonderlich genussvoll macht. Auch in der Paarsexualität macht dieser Modus Schwierigkeiten, weil da Bewegungen und Muskelspiel (u.a. des Beckenbodens) gefragt sind.
Modus 2 – mit Reibung (der mechanische Modus)
In diesem Modus wird das Geschlechtsteil durch mechanische Reibung bis zum Orgasmus erregt. Generell ist Reibung der am weitesten verbreitete Modus der Erregungssteigerung bei allen Menschen, aber vor allem bei den Männern. Auch hier kann die Muskelspannung hoch sein. Abgesehen von der Hand wird bei dieser Erregungsvariante ebenfalls wenig bewegt. Oft wird in diesem Modus mit dem Älterwerden durch immer intensiveres Reiben (und extremeren pornografischen Reizen) versucht, die schwindende Erektion zu halten. Auch in diesem Modus wird das volle Erregungs- und Wahrnehmungspotenzial nicht ausgeschöpft.
Modus 3 – mit fliessenden Bewegungen (der ondulierende Modus)
In diesem Modus kommen weiche fliessende Bewegungen zur Anwendung mit wenig Spannung. Vor allem Frauen versetzen sich so in einen genussvollen Zustand. Dadurch werden zwar viele Wahrnehmungen geweckt, der Körper sensibilisiert und in angenehme Erregung versetzt, aber oft gelingt es nicht, auf diese Weise zum Orgasmus zu kommen. Denn es fehlt die nötige Kanalisation für die Erregungssteigerung bis zum Point-of-no-return. Solche Menschen spüren zwar hohe Erregung, aber sie können sie nicht auf den Punkt bringen.
Modus 4 – die Doppelschaukel (der wellenförmige Modus)
Diesen Modus sollten wir anstreben. Er lässt gezielte und lockere Bewegungen sich abwechseln, variiert zwischen schnellerem und langsamerem Tempo, und benützt bewusst den Atem für die Erregungssteigerung. Es ist ein Spiel mit Muskeltonus, Tempo und Raum (Bewegungsweite), das die Erregung durch den ganzen Körper strömen lassen kann. Mit konzentrierten rhythmischen kleinen Beckenbewegungen (Beckenschaukel)und mit differenziertem Muskelspiel des Beckenbodens wird die Erregung gesteigert, angehalten, wieder gesteigert, bis sie schliesslich den Point-of-no-return überschreitet. So entsteht die perfekte Mischung aus Diffusion und Kanalisierung, sowohl im Unter- wie auch im Oberkörper (doppelte Schaukel).
Selbstverständlich gibt es alle möglichen Kombinationen der Erregungsmodi. Aber es kann helfen, sich darüber im Klaren zu werden, auf welche Weise man sich hauptsächlich erregt. In Deinem Fall ist es sicher der Druckmodus. Ich rate Dir, Deinen Körper nicht primär anzuspannen, wenn Dich Dein Mann im Genitalbereich stimuliert, sondern in Bewegung zu kommen mit Deinem Becken, und dabei den Atem auszustossen und wieder tief in den Bauch strömen zu lassen. In meinem Buch, das Ihr lest, wird Dir das erklärt. So wirst Du mehr spüren, mehr Lust empfinden, diese besser im Körper verteilen und gezielt steigern können.
Probiere Berührungen an Deinem Körper, Deinem Genital aussen und innen und Bewegungen auch mit Dir selbst aus, damit Du in deinen eigenen Empfindungen zuverlässiger wirst. Mit Hilfe meines neuen Buchs „ALLTAGSLUST – ganz entspannt zum guten Sex“, das am 1. August 2017 erscheinen wird, kannst Du einen genussvollen und ausgedehnten Orgasmus erlernen.
Herzliche Grüsse - Veronika