Männer sind geneigt, alles, was den Beigeschmack einer Gleichstellung der Geschlechter hat, in der heutigen Zeit „Weiberherrschaft“ zu nennen. Das Matriarchat steht meiner Auffassung nach nicht für die Vorstellung einer Herrschaft der Frauen über die Männer; es bedeutet lediglich, dass nicht ausschließlich Männer regieren, - dass, anders ausgedrückt, eine gesündere, gerechtere Gesellschaftsordnung existiert, in der das Regierungsprivileg nach Kompetenz entschieden wird, unabhängig vom Geschlecht.
Katharine C. Bushnell
Gross war die Empörung, als anlässlich der Aktion Maria 2.0. an der Universitäts-Kirche Freiburg ein riesiges Transparent entrollt wurde mit einem Bild der Künstlerin Meredith White, welches eine Maria-Vulva („Mother Vulva“) darstellte. Blasphemie wurde von allen Seiten geschrien. Ich habe zum entsprechenden Facebook-Post der Fachschaft Theologie Uni Freiburg einen Kommentar hinterlassen, zu dem ich sogar aus Rom angepflaumt wurde, wie idiotisch und lächerlich meine „Theologie“ und ich ein Fall für den Psychotherapeuten sei.
Ich fand das Bild schön. Schön genial. Ich fand nicht, dass es die Heiligkeit Marias in Frage stellte, im Gegenteil. Für mich sagte es genau das aus, was die letzten zweitausend Jahre keine Rolle spielen durfte:
Wie privilegiert und geehrt und seit Urzeiten längst rehabilitiert die gläubige Frau ist und weshalb Gott ausgerechnet diesen Weg wählte, seinen Sohn in die Welt zu bringen.
Durch die natürliche Leiblichkeit der Frau, durch das „Tor des Lebens“ – durch Vagina und Vulva. Doch offensichtlich wäre es einigen Vertretern der Theologie lieber, Jesus wäre per Kaiserschnitt zur Welt gekommen.
Regt diese Tatsache deshalb so auf, weil dieser Vorgang so ganz ohne Beteiligung des Mannes geschah? Zu irdisch? Zu sehr an Eva erinnernd? Wenn Gott die Weiblichkeit geschaffen und auserkoren hat, wie kann dann deren Darstellung Blasphemie sein? Zumal diese Art der Mariendarstellung in der (Kirchen)Kunst schon immer vorkam.
Die Zerrissenheit ist die Ursache allen Übels
Es regten sich auch etliche gläubige Frauen über diese Darstellung der Maria auf. Viele Frauen möchten lieber eine asketische überhöhte Heilige als Vorbild, nicht eine Identifikationsfigur von realistischer wahrer Weiblichkeit. Immer noch meiden viele die Eva in sich, die die Männertheologie über die Jahrtausende zur Ursache allen Übels erklärte, sexuell aufgeladen. Eva die Hure, Maria die Heilige. Dieses zerrissene Frauenbild lässt weder uns Frauen noch die Männer glücklich und geheilt sein. Diese Zerrissenheit ist die Ursache allen Übels!
Und wo kommt sie her? Seit meiner Jugend beschäftigt mich die Ungerechtigkeit der Ungleichstellung von Frau und Mann. Doch je länger ich als Sexualtherapeutin arbeitete, desto drängender wurde in mir der Wunsch, dieser unglaublichen Sache der theologischen Dämonisierung der Frau und gleichzeitig der Sexualität auf den Grund zu gehen. Ich habe darüber ein Buch geschrieben, welches vor eineinhalb Jahren erschien. Und was ist passiert? Es wurde in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit versenkt. Gleich zu Beginn. Alle haben sie abgestritten, an der Versenkung des Buches beteiligt gewesen zu sein. Doch nach und nach wurden mir die Details dieser Vorgänge doch zugetragen. Männer sind von Männern unter Druck gesetzt worden, sich ja nicht zu meinem Buch zu äussern.
In mir riss ein Faden
Hat es mich überrascht? Nein, eigentlich nicht. Ich habe ja genau über diese Mechanismen geschrieben. Ich war ja bei meinen Recherchen auf all die vielen Bücher des letzten und des jetzigen Jahrhunderts gestossen, die es zu diesem Thema bereits gab. Bücher, die allesamt ebenfalls verschwanden, ohne nachhaltige Spuren zu hinterlassen.
Viele Monate verstrichen, und irgendwann realisierte ich, wie etwas mit mir geschah. Bis in mir irgendwann ein Faden riss. Der Faden des Glaubens an die Gemeinschaft der Gläubigen.
Ausgelöst schlussendlich durch eine einzige Begebenheit. Doch im Nachhinein konnte ich nachvollziehen, wie dies schleichend über die ganze Zeit des Buchschreibens schon in mir vorging. Viele Geschehnisse der längeren Vergangenheit liess ich in meinem Geist Revue passieren, in denen mich jeweils eine riesige Traurigkeit überkam, die nicht einfach nur von mir selbst zu kommen schien.
Mit dem Schreiben des Buches und danach bröckelten letzte Gewissheiten weg, die ich bisher in meinen Leben nie gewagt hatte, ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Paradigmen der christlichen Lebenswelt, in der ich von klein auf drin gelebt hatte. Dieser Zustand machte mich sowohl traurig, ratlos, wie auch erleichtert und innerlich extrem stark. Ich hielt diesen Zustand einfach mal aus. Ich musste viel darüber nachdenken und darüber reden, mit Freunden, mit meinem Mann, mit Gott. Verstärkt wurde dieser Prozess durch die Lektüre des Buches von Per Olov Enquist LEWIS REISE. Mit diesem Buch tauchte ich unwillkürlich ein in meine fromme Kindheit, überhaupt nicht pfingstlich und doch erstaunlich ähnlich, mit all den damals unerklärlichen Empfindungen und nicht einzuordnenden Wahrnehmungen, die meinen durchaus auch frohen Glauben mitgeprägt hatten.
Ein Buch hat meinen Glauben gerettet
Und dann geschah etwas wunderbares. Durch einen Mann. Er hatte mich schon einmal auf Facebook angeschrieben und schickte mir das PDF eines Buches, das bald erscheinen sollte. Und dieses Buch – es tönt pathetisch, ich weiss, aber genau so war es – hat meinen Glauben gerettet!
Die Frau, Katharine C. Bushnell, die dieses Buch vor hundert Jahren schrieb, brachte mir Frieden. Mit einer unglaublich provokativen, intelligenten und mit Witz geschriebenen Exegese. Indem sie mir schwarz auf weiss und mit gründlichem weiblichem Sinn erklärte, wie Gott es gedacht hat, das mit dem Frau-Mann-Sein. Und in mir rief alles: „Ich hab’s gewusst!
Ähnliche Aha-Erlebnisse hatte mir während meines Buchschreibens schon ihre Zeitgenossin, die Engländerin Dorothy L. Sayers, beschert, mit ebenso prägnant-witzigen Dekonstruktionen des frommen Frau-Mann Bildes. Es wäre vor hundert Jahren schon alles gesagt gewesen - wenn Mann und Frau es hören wollten.
WACH AUF, EVA! heisst das erstmals auf Deutsch erscheinende Buch von Katharine C. Bushnell. Der Untertitel des Buches lautet: Erkenne die biblische Wahrheit von Gottes ursprünglicher & unveränderter Absicht der vollen Gleichstellung der Frau. «Denn über dir kommt gleich der Himmel», steht berührenderweise auf dem Umschlag. Das Studienbuch der Amerikanerin zur Frauenfrage erschien erstmals 1921. Eines dieser verschwundenen Bücher. Jetzt übersetzt und herausgegeben von H. Christian Beese in seinem kleinen Verlag in Hamburg*.
Katharine C. Bushnell war Ärztin, Sprachwissenschaftlerin für Hebräisch und Griechisch und Missionarin. Eine Reformerin, die eine führende Rolle übernahm in der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts. Eine dieser eindrucksvollen Frauenleben, die eine christliche feministische Bewegung hatten ins Leben rufen wollen, von denen ich in meinem Buch ENDLICH GLEICH! schreibe.
Wacht auf, ihr Frauen, die ihr immer noch an eine patriarchale “göttliche Ordnung” glaubt
“Diese Frau ist eine linke Feministin!”, rief ein Mann zum Buch WACH AUF, EVA! auf Facebook empört in die Runde. Feminismus - die emanzipierte, feministische Frau im Bund mit dem Teufel - dieses Paradigma hält sich hartnäckig in bibeltreuen Kreisen und feiert grad wieder Urständ.
Interessanterweise kehrt Katharine C. Bushnell den in evangelikalen Kreisen so beliebten “Feminismus-Satan”-Beleg um. Bushnell führt aus, es sei ein «Unerlöster-Mann-Satan”-Komplott gegen die Frau. Dieser habe bewusst die Bibel dahingehend falsch bzw. tendenziös übersetzt. Und zeigt in ihrem Studienbuch in grosser Selbstverständlichkeit gewissenhaft auf, was in den Urtexten wirklich steht.
Und Frauen, lasst Euch nicht irreführen von schönen Worten wie Gleichwertigkeit und Ebenbürtigkeit. Oder geht nicht dem “Gleichwertig aber nicht Gleichartig” auf den Leim. Das sind Worte einer beschönigenden komplementaristischen Sichtweise, die besagt, Mann und Frau hätten den gleichen Wert dadurch, dass sie sich ergänzen. Sich das komplementaristische Mäntelchen umzuhängen ist in der freikirchlichen Lebenswelt grad sehr «en vogue». Man streicht die revolutionäre Bedeutung des Christentums in der Antike hervor in Bezug auf die Würde der Frau und die Sexualethik, im Gegensatz zur damaligen Gesellschaft. Plötzlich sieht man sich auch in der heutigen Zeit als Vorreiter für eben diese Themen. Als Stellvertretende für Frauenwürde, Sexpositivität und Körperintegration. Zweitausend Jahre übersprungen, ganz ohne Reflektion und Schuldeingeständnis. Doch dieses Denken hat nichts gemein mit bedingungsloser vollständiger Gleichstellung und Teilhabe der egalitaristischen Sicht.
Geistlichen Erneuerung der Gesellschaft
Geistliche Erneuerung der Gesellschaft ist das erklärte Ziel christlicher Lebensweise. Genau dieses grosse Ziel kann niemals gelingen, wenn die christliche Lebenswelt nicht endlich eingesteht, dass sie in der gesamten nachapostolischen Zeit einem grossen Irrtum unterlegen ist: Der zutiefst ungöttlichen Geschlechterungerechtigkeit. Frauen sind genauso wie die Männer herausgefordert, sich mit dem Egalitarismus auseinander zu setzen. Frauen haben eine Nimm-Schuld, wenn sich etwas ändern soll. Und Männer entsprechend eine Platz-freimach-Schuld.
PS: Weiterer BLOG: DIESES BUCH HAT MEINEN GLAUBEN GERETTET
PPS: *Hier das Buch WACH AUF, EVA! bestellen: RVB|VKW Verlag per Mail: christian@rvbeese.de
PPPS: Ich werde dem Übersetzer und Herausgeber H. Christian Beese ewig dankbar sein für dieses Buch. Und ebenso werde ich Hans-Jörg Ronsdorf , Autor des Buchs FRAUEN VERGEBT UNS, ewig dankbar sein, dass er mich auf Katharine C. Bushnells Buch aufmerksam machte. Was sagt Hans-Jörg Ronsdorf zu Bushnells Buch im Vergleich zu seinem? “Dagegen ist mein Buch Kindergarten.”
PPPPS: Ich freue mich auf das himmlische Kennenlernen von Katherine C. Bushnell und allen anderen mutigen Frauen ihrer Zeit, den christlichen Mitstreiterinnen in der Gründungszeit des Feminismus.