Liebe Veronika
Mein Mann und ich sind seit einem Jahr verheiratet, aber unser Sexleben ist trotzdem schon eingeschlafen, weil ich immer Schmerzen beim Geschlechtsverkehr habe. Ich war deswegen schon bei der Frauenärztin, aber sie konnte medizinisch nichts feststellen. Doch da auch jeder Frauenarztbesuch für mich der blanke Horror ist und ich mich danach manchmal tagelang wund fühle, vermute ich, dass es doch eher ein körperliches Problem ist.
Lust zu empfinden, damit habe ich keine Probleme. Ich habe mich vor unserer Ehe oft selbst befriedigt und tue dies auch jetzt immer wieder mal. Doch ich hätte gerne auch mal richtigen Sex und mein Mann noch mehr. In unserer Verlobungszeit hatten wir einige Male Sex und damals tat es mir nur ab und zu etwas weh. Ich empfand dabei Lust und wir hatten ein schönes Intimleben. Aufgrund des Vorbereitungsstresses für die Hochzeit waren wir nur selten intim und nun tut es eigentlich immer weh. Deshalb habe ich auch gar keine Lust mehr darauf.
Wenn mein Mann mir sagt, dass er mich begehrt und mit mir schlafen will, kriege ich Panik und fühle mich sofort unter Druck. Dabei ist mein Ehemann sehr geduldig mit mir. Aber je öfter es nicht funktioniert, desto mieser und minderwertiger fühle ich mich. Wir sind beide überfragt, was wir noch machen können. Da wir schon vor der Hochzeit Sex hatten, traue ich mich auch nicht, mir seelsorgerliche Hilfe zu holen. Denn viele Christen, die wir kennen, sind gegen Sex vor der Ehe, und ich möchte mich nicht im Nachhinein dafür rechtfertigen müssen, dass wir es für uns anders entschieden haben. Was können wir Deiner Meinung nach machen, um ein richtiges Sexleben zu haben?
Ronja, 30 Jahre
Liebe Ronja
Ich denke nicht, dass Du in der Seelsorge Hilfe für Dein Problem finden wirst, weil leider viel zu wenige Seelsorger überhaupt genug Wissen bezüglich Sexualität haben. Einfach wegbeten lässt sich Dein Schmerz leider nicht. Höchstens die Schuldgefühle, falls Dich noch welche plagen. Denn diese können durchaus bewirken, dass sich Dein Körper verkrampft und Du in der Folge Schmerzen hast. Sicher aber verkrampft sich heute Dein Körper aus Angst vor dem Schmerz. Wenn Deine Frauenärztin eine körperliche Ursache ausschliesst, liegt es nahe, dass Deine Vagina nicht feucht genug ist. Eine Ursache könnte die Pille sein, falls Du sie nimmst. Oder einfach eine Veranlagung, weil manche Frauen grundsätzlich weniger feucht werden. Hier können auch Gleitgels helfen. Kaufe dir hochwertige Gleitgels, die es auf Wasser- oder Silikonbasis gibt, in verschiedenen Geschmacksrichtungen oder mit interessanter erregungssteigernder oder wärmender Wirkung. Eine grosse Auswahl und kompetente Beratung oder auch einen Online-Shop bietet das SENSUELLE in Zürich. Frauen, ein Besuch in diesem Laden lohnt sich. Doch zurück zur Frage, wie Du mit dem Körper zu genügend Feuchtigkeit kommst, damit der Geschlechtsverkehr genussvoll wird.
Wenn es beim Geschlechtsverkehr weh tut, kann es an zu hoher Muskelspannung oder zu wenig Erregung liegen. In beiden Fällen sind die Muskeln der Geschlechtsregion schlecht durchblutet. Doch erst durch die verstärkte Durchblutung in der Geschlechtsregion sondert die Vaginawand mehr Flüssigkeit ab und wird feucht genug für den Geschlechtsverkehr. Dieser Vorgang geschieht nicht, wie oft angenommen, durch eine Drüse. In den seitlichen Vaginalwänden befindet sich eine hohe Anzahl an Blutgefäßen, die bei Erregung anschwellen und sich kräftig mit Blut füllen. Durch diesen starken Druck wird Blutflüssigkeit (vor allem Wasser) in kleinen Tröpfchen durch die Gefäßwände abgegeben. Diese Tröpfchen zwängen sich durch die Zellschichten der Vaginalschleimhaut hindurch und bilden in der Scheide den Feuchtigkeitsfilm. Da der Geschlechtsverkehr erst durch genügend Feuchtigkeit angenehm wird, brauchst Du genügend Zeit und Stimulation, damit Deine Genitalien richtig prall anschwellen können. Ohne diese erhöhte Erregung mit dem Penis einzudringen, ist nicht ratsam. Das wäre, wie wenn Dein Mann mit nicht erigiertem Glied versuchte, mit Dir zu schlafen.
Die Klitoris spielt für die Erregung eine wichtige Rolle. Wie diese aussieht und was mit ihr in der Erregung geschieht, zeigt mein Buch. Ganz wichtig sind auch die kleinen Scheidenlippen. Doch auch der Beckenboden nimmt in der Erregung und Erregungssteigerung eine ganz entscheidende Rolle ein. Man könnte ihn mit dem Resonanzboden eines Instruments vergleichen. Ohne Resonanzboden gibt es keinen schönen Klang. Damit der sexuelle Klang ins Schwingen kommt, muss auch der Beckenboden mitschwingen. Ins Schwingen kommen heißt, Blut in die Beckenregion zu bekommen, die Erregung somit gut zu spüren und besser feucht zu werden. Das geschieht, wenn wir die Beckenbodenmuskeln im Wechsel leicht spannen, aber auch entspannen können. Dies lässt sich am besten durch Bewegung erreichen. Bewegung kann in gewissen Muskeln Spannung erzeugen, während die Gegenspieler zugleich entspannt werden. Da die Schwellkörper bei Mann und Frau unmittelbar in die Beckenbodenmuskulatur eingebunden sind, werden sie bei jeder Betätigung des Beckenbodens automatisch stimuliert und sorgen für eine erhöhte Empfindsamkeit, übrigens auch beim Mann.
Am besten kann die Region um die Genitallippen aber auch das Innere der Vagina erregt werden und feucht werden durch verschiedene Berührungen von Dir und Deinem Mann: durch Reiben, Streicheln, Drücken, Massieren, Zupfen, Küssen und mit der Zunge variantenreich Liebkosen. Zusätzlich kannst Du durch An- und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur von innen diese Region mitmassieren und durch eine leichte Schaukelbewegung in die Hand Deines Partners hinein die Erregung steigern. Das kann viel lustvoller sein als die direkte Berührung der Klitoris-Perle, die sehr empfindlich ist. Die Erregung und der Orgasmus werden großflächiger und bleiben nicht auf die Region der Klitoris-Eichel beschränkt. Dein Mann kann bei Deiner Liebkosung Deine Erregung verstärken und miterleben bis zum Orgasmus. Vielleicht wäre es sogar gut, das alles mal zu üben und erleben, ohne dass Dein Mann eindringt. Das kann für ihn genauso lustvoll sein wie „richtiger“ Geschlechtsverkehr. Wenn Du es nicht glaubst, hier ein Müsterchen von einem der momentan sexiesten Männer, Benedict Cumberbatch alias Sherlock Holmes in einem Interview mit der britischen Ausgabe der Zeitschrift Elle:
«Und dann wäre ich umwerfend. Ich wüsste genau, was es braucht, um eine Frau zu befriedigen, wo meine Finger hin gehörten, meine Zunge … Denken Sie an Geigenspieler. Was die mit ihren Fingern tun können … Ich würde soviel Lust aus der Befriedigung der andern Person ziehen, dass ich wahrscheinlich gar nicht mehr in sie eindringen müsste … Aber wenn ich eindränge, wäre das explosiv.»
Also hey, habt Spass und Lust beim Sex, das wird die Angst und Anspannung vertreiben. Gewöhne Dir an, Dein Becken beim Sex zu bewegen. Das bedeutet nicht, zu „turnen“, sondern in der Bewegung mittels unterschiedlich starkem, langsamem oder schnellem An- und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur der Erregung im Unterleib nachzuspüren. Auch die äusserlichen Berührungen werden intensiver, wenn das Becken und der Beckenbogen leicht bewegt werden. Mit fließenden Bewegungen verteilt sich die Erregung im ganzen Körper. Man kann sich vorstellen, man wäre eine Pflanze im Wasser und lasse sich vom Wasser bewegen. Dazwischen kann man nochmals ganz andere Empfindungen wecken, wenn man sein Becken kreist oder mit ihm eine Acht beschreibt. Mit dieser Vorstellung bewegt man sich in die Berührungen hinein und atmet regelmäßig in die Tiefe des Bauches ein. Dabei sollte man nicht unbedingt viel Luft einatmen. Entscheidender ist, mit der Bewegung des Beckens nach vorne wieder auszuatmen. Ein geöffneter Mund und Töne oder Stöhnen beim Ausatmen erhöhen zudem die Sinnlichkeit und auch wieder das Feuchtwerden.
Vielleicht hilft es Dir auch, die verschiedenen Phasen zum Orgasmus vorzustellen und was dabei mit Deinem Körper geschieht.
In der Erregungsphase bewirken erotischen Fantasien, das Liebesgefühl und Berührungen an erogenen Zonen, dass sich der Puls beschleunigt und der Blutdruck steigt. Die Brustwarzen werden hart und die Brüste vergrößern sich. Das ganze Geschlecht füllt sich mit Blut, was eine Spannung und ein Kribbeln in den äußeren und inneren Genitallippen zur Folge hat. Diese werden dunkler und öffnen sich leicht. Die Vagina wird feucht und spannt sich auf, die Klitoris schwillt an und wird, vergleichbar zum Penis, steif. Die Vagina bereitet sich darauf vor, dass der Penis hineingleiten kann.
In der Plateauphase richtet sich die Gebärmutter auf, und der Muttermund zieht sich zurück. Das vordere Drittel der Vagina verengt sich nun durch die mit Blut gefüllten Schwellkörper zur sogenannten „orgastischen Manschette“, um den Penis umschließen zu können. All dies kann man spüren, ebenso den schnelleren Herzschlag, die schnellere Atmung, die zunehmende Muskelspannung und das weitere Anschwellen des gesamten Genitalbereichs mit der aufgerichteten Klitoris. Bei zunehmendem Gespür nimmt die Frau auch im Innenraum verschiedene Empfindungen wahr, beispielsweise das Hartwerden und Größerwerden der G-Zone. Schon vor dem eigentlichen Orgasmus kann die Frau gelegentlich Spasmen spüren, die ihr ermöglichen, in der Erregung nochmals innezuhalten, diese abfallen und wieder ansteigen zu lassen.
Die Orgasmusphase wird begleitet durch Muskelkontraktionen der Scheide, der Gebärmutter und des Schließmuskels und kann bis zu 30 Sekunden dauern. Danach entspannen sich die Muskeln wieder, die Schwellungen klingen ab und Klitoris, Scheide und Gebärmutter kehren in den ursprünglichen Zustand zurück. Manche Frauen können in der Erregung bleiben, möchten nochmals zum Orgasmus-Plateau aufsteigen und erleben erneut Orgasmen.
In der Entspannungsphase klingt die Erregung langsam ab und der Körper kehrt in den ursprünglichen Entspannungszustand zurück.
Die Bewegung des Körpers und das anschliessende Loslassen sind schliesslich auch wichtig, um einen Orgasmus beim Geschlechtsverkehr zu erreichen. Auch da gilt - allzu große körperliche Anspannung hemmt unser Lustempfinden und damit auch den Weg zum Höhepunkt. Orgasmen lassen sich auslösen durch Stimulation von Klitoris, Vulva (besonders der inneren Genitallippen), des äußeren Drittels der Vagina oder durch Stimulation von G-Zone und der hinteren zwei Drittel der Vagina. Die Unterteilung in klitoralen und vaginalen Orgasmus, von der immer wieder die Rede ist, ist übrigens unsinnig. Denn egal, mit welcher Stimulation, bei jedem Orgasmus ist die Klitoris mitbeteiligt. Genauso wie der Penis des Mannes wird diese erregt, selbst wenn keine spezielle Berührung stattfindet.
Ich hoffe, diese kleine Aufklärungsstunde hilft Euch, Mut zu fassen und einfach wieder auszuprobieren. Dabei solltet Ihr immer im Auge behalten, dass der Weg im Sex genauso lustvoll und befriedigend sein kann, wie das Ziel. Beschreitet diese Wege unbedingt zusammen, dann werdet Ihr Euer schönes Intimleben zurückerobern.
Herzlich - Veronika