Liebe Veronika
Ich glaube, wir gehören zu diesen „unglücklichen Paaren“, die darum streiten, „wer das Sagen hat“, wie Du schreibst. Was machen wir falsch?
Rahel, 45 Jahre
Liebe Rahel
Um zu sehen, was Ihr falsch macht, müsste ich Euch mal zusammen erleben. Also versuche ich zu sagen, was Ihr richtig machen könnt, um aus Eurer Streitspirale auszusteigen.
Wenn es Streit um die Vorherrschaft gibt, dann geht es oftmals darum, dass beide in der Paarbeziehung sich ihrer eigenen Stellung nicht sicher und bewusst sind. Das heisst, sie nehmen ihren eigenen Stand nicht ein. Sie erwarten das Glück in der Ehe aber auch das persönliche Glück vom anderen. Jeder muss für sich selbst Verantwortung übernehmen, wie er zufrieden in der Situation und mit sich selbst sein kann. Wenn schon viele Verletzungen geschehen sind, dann werden Paare oft auf mich wütend, wenn ich das sage. Weil ich ihnen somit zumute, dass sie auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für erlebte Kränkungen verzichten müssen. Weil sie loslassen müssen und dem anderen nichts mehr nachtragen dürfen. Was wir an Verletzungen in der Partnerschaft erleben, hat sehr viel mit gegenseitiger Hilflosigkeit zu tun und nicht mit Absicht, dem anderen wehtun zu wollen. Doch meistens gehen wir davon aus, der andere habe mit Vorsatz uns eins auswischen wollen.
Die Kolumnistin Julia Karnick schrieb mal: „Das Geheimnis einer glücklichen Langzeitbeziehung ist nicht, dass man einander immer toll findet. Sondern dass man einsieht, dass man dem anderen manchmal keine andere Möglichkeit lässt, als einen saublöd zu finden."
Machtkämpfe sind Symptom davon, dass beide nicht mit sich selbst glücklich sein können, sondern das Glück an den anderen delegieren. Wenn ich glücklich sein will, muss ich wissen, wer ich bin und was ich will.
Wenn wir die Evangelien, die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe lesen, finden wir darin wundervolle Zeugnisse von wertschätzenden gleichwertigen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. In diesen Briefen finden wir aber auch die am heißesten diskutierten und am stärksten missverstanden Stellen der Bibel über die Ehe. Eine davon ist die Aussage von Paulus bezüglich der Unterordnung in Epheser 5,21ff. Ja, in dem Textabschnitt steht, dass die Frau sich dem Mann unterordnen soll, und ja, es steht darin, dass der Mann das Haupt sein soll. Doch diese Aussagen wollen im Kontext gelesen werden. Als erste Aufforderung überhaupt schickt Paulus vorweg: „Ordnet euch einander unter; so ehrt ihr Christus.“ (Epheser 5,21; HFA)
Zuallererst spricht er von gegenseitiger Unterordnung des Paares. Wollte man die Beziehung von Mann und Frau, die hier beschrieben wird, auf zwei Kernaussagen herunterbrechen, so könnte man sie in die Begriffe „Lieben“ und „Achten“ fassen. Paulus sagt am Schluss des Abschnitts zusammenfassend: „Es gilt aber auch für euch: Ein Mann soll seine Frau so lieben wie sich selbst. Und die Frau soll ihren Mann achten.“ (Epheser 5,33; HFA)
Das Wort für lieben heißt hier „agapao“. Dasselbe Wort gebraucht die Bibel dafür, wie Gott die Welt liebt. Genauso soll der Mann die Frau lieben. Agape ist eine spezielle Art der Liebe. Es ist nicht die Liebe, die man braucht und bekommen will, sondern die Liebe, die gibt. Die Frau bekommt eine andere Aufgabe: Sie soll „Achtung“ haben, also den Mann ehren. Weshalb gibt es nun zwei verschiedene Herausforderungen, wenn vorher von einer wechselseitigen Unterordnung die Rede war? Da hat Paulus meiner Meinung nach etwas ganz Wichtiges erkannt. Mann und Frau haben unterschiedliche Defizite, die ihr Handeln negativ bestimmen. Der Mann muss lieben lernen und die Frau achten lernen, und zwar jeweils sich selbst und den anderen.
Männer haben oft Schwierigkeiten damit, sich selbst zu lieben, sich einfach gern zu haben, ohne Leistung zu erbringen. Deshalb fällt es ihnen auch schwer, andere zu lieben und Liebe zu zeigen. Wenn ein Mann sich lieben kann, ist er auch fähig, seine Frau zu lieben. Man könnte auch sagen, wenn ein Mann die Frau liebt, zeigt er damit, dass er sich selbst lieben kann.
Viele Männer müssen lernen, erstmal ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Viele Männer spüren sich überhaupt nicht. Sie können sich nicht eingestehen, dass sie Bedürfnisse haben. Zum Beispiel das Bedürfnis, wertgeschätzt und geliebt zu werden. Männer sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie sich denn wertgeschätzt und geliebt fühlen, und zwar in erster Linie von sich selbst. So geliebt, dass sie sich nicht in Pflichten und Aufgaben stürzen, nicht sich andauernd in sich selbst zurückziehen oder Liebe an allen Ecken suchen müssen, nur nicht bei der eigenen Frau.
Frauen dagegen haben häufig ein Problem mit der Ehre. Damit, sich selbst zu achten und wertzuschätzen, zu glauben, dass sie der Liebe von Gott oder ihrem Mann würdig genug sind. Frauen sind in Gedanken dauernd damit beschäftigt, sich abzuwerten. Deshalb verachten sie auch andere und äußern sich verächtlich. Eine Frau, die ihren Mann ehrt, zeigt dadurch, dass sie sich selbst wertschätzt.
Frauen sind Meisterinnen darin, ihre Männer abzuwerten und zu manipulieren. Nie kann er etwas richtig machen. Aber die Kritiksucht der Frauen tötet oft die Liebe der Männer. Eine Frau kann unglücklich sein, obwohl ihr Mann sie auf Händen trägt. Weil sie es nicht schafft, in sich selbst so glücklich zu sein wie möglich. Und wenn sie unglücklich ist und sich selbst verachtet, hat sie die Tendenz, die Schuld dafür dem Mann zu geben, greift ihn deswegen an und verweigert ihm die Achtung.
Wer lernt, sich selbst zu achten, kann auch andere achten.
Wer lernt, sich selbst zu lieben, kann auch andere lieben.
Für beide bedeutet das, zu ihren Überzeugungen und Vorstellungen stehen. Sich in gewisser Weise vom anderen abzugrenzen. Bei Konflikten oder Unsicherheiten ruhig und gelassen zu bleiben, sich nicht von seinen Ängsten bestimmen zu lassen. Sich bemühen, nicht übertrieben zu reagieren; auch wenn das Gegenüber für das eigene Leben von enormer emotionaler Bedeutung ist. Es bedeutet, den anderen nicht unter Druck zu setzen, sich selbst nicht unter Druck zu setzen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, nicht einzuknicken.
Wie man das macht, dazu möchte ich gerne nächste Woche etwas schreiben.
So wünsche ich Dir, Rahel, und Deinem Mann, dass es Euch immer besser gelingt, Euch an Euch selbst festzuhalten.
Herzlich - Veronika