Hallo Veronika
Ich habe seit November eine feste Beziehung und eigentlich wollten wir keinen Sex vor der Ehe praktizieren. Nun fragen wir uns, wie weit darf unser Kuscheln bzw. Petting gehen? Wir haben schon diverse Predigten und Vorträge gehört. Diese sind alle ziemlich hart auf beide Seiten. Die einen „gestatten“ nur Händchen halten, das andere Extrem warnt, sich Geschlechtsverkehr „zu verkneifen und abzutrainieren“ würde uns dann in der Ehe schaden.
Wir führen eine Fernbeziehung und fallen, wenn wir uns zwei Wochen nicht gesehen haben, fast übereinander her. So haben wir unsere festgelegten Regeln letzthin doch ziemlich alle gebrochen. Die gegenseitige Befriedigung war für uns eigentlich ein no go. Wir haben uns nicht mehr daran gehalten. Unser Problem ist nun, das Ganze wieder in den Griff zu bekommen. Ich denke mittlerweile darüber nach, meinen Vorsatz aufzugeben, weil mich dieser Kampf und Krampf darum einfach nervt.
Eins noch, wir sind beide in den Vierzigern. Er geschieden, ich hatte eine siebenjährige Beziehung in jungen Jahre, als ich noch nicht bekehrt war. Wir sind also keine Teenager mehr und keine unbeschriebenen Blätter. Hast du Tipps und Empfehlungen, wie wir damit umgehen können? Buchempfehlung oder ähnliches?
Besten Dank für eine Antwort und viele Grüsse
Marlene
Liebe Marlene
Deine Frage beschäftigt viele Kirchenmenschen. Und sie finden wenig gründliche Auseinandersetzung dazu. Zuerst vorneweg: die Verantwortung über Eure Sexualität soll, kann, darf und wird Euch niemand abnehmen. Eigenverantwortung ist gefragt. Ganz grundsätzlich solltet Ihr Euch klar über Eure Motivation werden, weshalb Ihr denn warten wollt. Je mehr die Motivation eine äussere ist – weil „man“ warten muss, „man“ keinen Sex haben darf – desto schwerer wird es, Regeln einzuhalten. Nur eine innere eigene Motivation wird Euch erfolgreich warten lassen, weil es Eure eigene Überzeugung und Entscheidung ist. Ihr müsst für Euch einen lohnenden Grund finden, um warten zu können.
Ein gutes Buch zu der Thematik ist CHRISTLICHE SEXUALPÄDAGOGIK von Stephan Leimgruber. Er setzt sich „theoretisch“ und grundsätzlich damit auseinander. Zum „wie weit“ nimmt er hingegen keine Stellung. Diese Frage solltet Ihr Euch in gegenseitiger Verantwortung und zusammen mit Gott selber beantworten. Die Bibel sagt dazu je nach Sichtweise gar nichts oder ist sinnlich ziemlich offen in den bildlichen poetischen Beschreibungen im Hohelied. Wir wollten in unserer Kirche wissen, wie die Realität zu „kein Sex vor der Ehe“ aussieht. „Wie weit“ haben wir definiert mit „sexuellen Praktiken, die zum Orgasmus führen, zusammen mit einem Partner oder einer Partnerin“. Das schliesst Petting und Oralverkehr mit ein. Diese Definition lässt ziemlich viele Paare „nicht warten“.
Was könnte Euch motivieren, zu warten oder noch etwas zuzuwarten? Eine Studie von Prof. Busby zeigt, dass Paare, die mit dem ersten Mal bis zur Ehe gewartet hatten, ihre Beziehung wesentlich stabiler empfanden als andere. Diese Paare waren außerdem auch zufriedener – und obendrein fanden sie den Sex wesentlich besser als Paare, die „es” bereits vor der Ehe getan hatten. Wobei die Studie nicht definiert, wo „es“ anfängt. Hingegen sagt sie aus, dass Paare die nicht warten, sich womöglich stärker durch sexuelle Aspekte blenden lassen und dadurch fundamentale Differenzen übersehen – was sich nachher rächt. Der Studienleiter erklärt das Ergebnis der Studie damit, dass enthaltsame Paare besser gelernt hätten, auf hohem Niveau miteinander zu kommunizieren. Dies sei ein wichtiger Faktor für eine stabile Partnerschaft.
Da Eure Beziehung trotz „fortgeschrittenem Alter“ ja noch jung ist, würde ich Euch raten, grundsätzlich diesen kommunikativen Aspekten grosse Aufmerksamkeit zu schenken und Eure emotionale, geistige und geistliche Intimität zu pflegen und zu vertiefen. Sprich – Euch sehr gut kennen zu lernen.
Herzlich - Veronika