Liebe Veronika
Leider kann ich beim Geschlechtsverkehr nur kommen, wenn ich mich zusätzlich mit der Hand stimuliere. Weshalb ist das so, und könnte ich lernen, einen Orgasmus durch Stimulation mit dem Penis zu erreichen? Danke für Deine Hilfe und Deinen Rat.
Kathrina, 44 Jahre
Liebe Kathrina
Ganz viele Frauen kommen beim Geschlechtsverkehr nur, wenn sie sich selbst oder ihr Partner sie zusätzlich aussen an der Klitoris stimuliert. Das ist so, weil die meisten Frauen auf diese Art zuerst Lust, Erregung und den Orgasmus entdecken und dann dabei bleiben. Das "Kommen" bei der Stimulation innen in der Vagina muss in der grossen Regel geübt werden. Viele Frauen sind glücklich, überhaupt einen Orgasmus zu haben. Sie nehmen dabei den Weg, der am besten geht. Wenn Frauen jahrelang regelmässig Sex haben, kommt aber bei vielen dann doch der Wunsch nach einem "vaginalen" Orgasmus auf.
Heute unterscheidet man nicht mehr zwischen klitoralem und vaginalem Orgasmus. Trotzdem sagen viele Frauen, dass es für sie einen Unterschied in der Empfindung macht. Meine Vermutung ist, dass wir mit der Reibung der Klitoris einfach schneller kommen können. Je länger die Erregungsphase ist, umso stärker und lustvoller ist in der Regel der Orgasmus und die nachfolgende Entspannungsphase wird ebenfalls anders erlebt. Die Erregung innen baut sich vermutlich langsamer auf, mit mehr Bewegung, vielfältigeren Reizen, mehr Atmung. Dieses Zusammenwirken lässt uns wohl den Orgasmus anders erleben.
Ob innen oder aussen - beteiligt ist dasselbe Organ - nämlich die Klitoris in ihrer Gesamtheit. Nur die kleine Klitorisspitze ist aussen sicht- und ertastbar. Der ganze grosse Teil des weiblichen Lustorgans befindet sich innerhalb des Körpers und umschliesst links und rechts die Vulva und den äusseren Drittel der Vagina (Bild im Buch LIEBESLUST). Um dieses Organ in Erregung und Schwellung zu bringen, um Lust zu erleben, sollten wir neben Berührung, Reibung, Druck und vielfältigsten Erregungsquellen vor allem auch den Beckenboden zu Hilfe nehmen. Dank dem Beckenboden können Frauen und Männer ihr Geschlechtsorgan von innen "massieren" und so in Erregung und zu mehr Empfindungen bringen. Stichwort "Beckenschaukel" und "bessere Durchblutung".
Wenn Frau nicht bei der Penetration durch den Penis kommen kann, dann hat das vor allem damit zu tun, dass sie etwas anderes gelernt hat. Die "Orgasmus-Synapsen" im Hirn sind durch äussere Reibung gelegt und funktionieren deshalb auch problemlos. Ich würde Dir also raten, den Weg zum Höhepunkt umzulernen. Das braucht ein bisschen Zeit und Erfahrung. Nur so werden neue Erregungspfade im Hirn angelegt.
Für die lustvolle Berührung brauchen wir Feuchtigkeit. Dabei kann ein Öl, eine Salbe, ein Gel, die Scheidenflüssigkeit oder Speichel helfen. Während Du Dich lustvoll berührts oder leicht massierst am Scheideneingang, innen in der Vagina an unterschiedlichen Stellen, mal mit Reibung, mal mit mehr oder weniger Druck, bewegst Du Dich mit langsamen Bewegungen, leichtem Anspannen und Loslassen der Beckenmuskeln und Mitbewegen des Beckens in die Berührung der Hand hinein. Mit abwechselndem Anspannen und Entspannen dieser Muskeln steigerst Du die sexuelle Erregung. Später, beim gemeinsamen Geschlechtsverkehr, kannst Du mit dieser Muskelbewegung den Penis massieren und nicht nur seines sondern auch Dein Empfinden steigern.
Mit zunehmender Erregung werden die Genitallippen stark durchblutet. Man geht heute sogar davon aus, dass die inneren Genitallippen wesentlich zum Orgasmus beitragen und eine wichtige Rolle beim Erregungsaufbau und dem Reizempfinden während des Geschlechtsverkehrs spielen. Bei Erregung schwellen deren Blutgefäße auf das Zwei- bis Dreifache an. Sie weichen auseinander und legen die Vagina frei. Am Eingang und ein paar Zentimeter hinein ist die Scheide grundsätzlich sehr berührungs- und reibungsempfindlich. Weiter innen in der Scheide befinden sich dagegen unterschiedlichste Druckrezeptoren. Darum ist es für viele Frauen erregender, wenn die Scheidenwand nicht nur durch Rein-Raus-Bewegungen, sondern auch durch kreisende Bewegungen, durch Massieren und Druck stimuliert wird, vor allem an den Seiten und an der Vorderwand im Bereich der Harnröhre, wo sich auch die G-Zone befindet. Diese Stimulation bekommst Du nicht nur durch die Bewegungen des Mannes, sondern Du kannst sie auch erreichen, indem Du selbst das Becken kreist.
Die G-Zone liegt ungefähr zwei bis fünf Zentimeter innen an der vorderen Scheidenwand zur Bauchdecke hin und hat eine leicht geriffelte Oberfläche. Dahinter liegt die weibliche Prostata, welche die Harnröhre umschließt. Diese G-Zone kannst Du leicht mit Zeige- und Mittelfinger ertasten und herausfinden, wo Berührungen am lustvollsten sind. Dieser Bereich will aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden, weil er Berührungen und Druck meist erst wahrnehmen lernen muss. Am Anfang kann sich die Berührung dort taub oder unangenehm anfühlen. Das verändert sich mit der Zeit, wenn Du diese Stelle mit langsamen, kleinen, kreisförmigen, festen Bewegungen massierst. Dabei solltest Du versuchen, zu entspannen und den Beckenboden loszulassen. Um das Loslassen gut zu erspüren, kannst Du den Beckenboden auch leicht (!) nach aussen drücken.
Mit der Zeit stellen sich Unterschiede an verschiedenen Stellen ein, je nach Art der Berührung. Sobald es sich angenehm anfühlt, solltest Du an dieser Stelle weiter verweilen und dabei ausprobieren, wie Du das angenehme Gefühl verstärken kannst. Vielleicht helfen erotische Geschichten, Bilder und eigene Fantasien dabei. Diese Berührungen und „Spaziergänge“ brauchen häufige Wiederholungen, bis ein erster Orgasmus auf diese Weise kommen kann. Doch ist diese Region erst einmal aufgeweckt, wird dadurch der Orgasmus noch schöner und intensiver.
Am Anfang können diese Berührungen der Selbstentdeckung nur schwach spürbar und nicht erregend sein. Du brauchst Geduld und viele Wiederholungen. Doch immer wieder sehe ich in der Beratung, wie Frauen auf diesem Weg zu lustvollem Sex kommen, den sie dann auch mögen.
So wünsche Ich Dir nun den Mut zu schönen Erkundungstouren. Herzlich - Veronika