Hallo Veronika
Ich bin seit zwei Jahren mit meinem Freund zusammen. Es ist meine erste Beziehung und seine auch. Die Beziehung läuft gut. Ich habe einfach eine sehr sensible Nase, was nicht immer so praktisch ist. Ich glaube nicht, dass mein Freund extrem Mundgeruch hat. Trotzdem macht es mich manchmal überhaupt nicht an, ekelt es mich ein bisschen, ihn zu küssen. Kann ich etwas dagegen tun? Kann er etwas tun? Ich leide an einer Milchunverträglichkeit. Besteht da ein Zusammenhang?
Gruss Benita, 32 Jahre
Liebe Benita
In einer Paarbeziehung braucht es immer wieder Mut, auch heikle Themen anzusprechen. Hygiene ist eines dieser Themen, Mundgeruch ein Teil davon. Was Dein Freund tun könnte, ist, regelmässig die Zähne zu putzen und Zahnzwischenräume und Zungenoberfläche zu reinigen, bevor er Dich trifft. Auch die Ernährung spielt bei Mundgeruch eine Rolle. Tipps dazu findet Ihr im Internet: . Natürlich solltest dieses Thema feinfühlig ansprechen. Doch eben – es könnte auch sein, dass Du hypersensible Geruchs- und Geschmacksempfindungen hast. Dazu findest Du hier einen Link zu einem Artikel: (Google Aufruf: sensibel auf Gerüche).
Oder – und das muss ich leider aus meiner Praxiserfahrung zumindest erwähnen – Du magst Deinen Freund „nicht riechen“. Liebespaare empfinden nicht nur eine emotionale Anziehung, sondern auch eine erotisch-körperliche, die auch den Geruchsinn beinhaltet. Die körperliche Anziehung ist eine Voraussetzung, damit wir uns gerne nahe sind, gerne kuscheln, schmusen, küssen und natürlich auch Sex haben. Wir mögen gerne die Haut, die Haare, den Körper des anderen riechen, berühren, küssen usw. und zwar überall. Der Mensch sucht sich einen Partner, den er gerne riechen kann. Tragischerweise kann sich durch eine Krankheit, Medikamente, Chemo etc. der Körpergeruch verändern, was die „Chemie“ eines Liebespaares empfindlich stören kann. Auch Rauchen und übermässiger Alkoholkonsum stören die Liebeschemie.
Körperliche Anziehung, „körperliche“ Verliebtheit und in der Folge dann auch Sex haben mit Körperflüssigkeiten, Austausch von Körperflüssigkeiten und den damit verbundenen Gerüchen und Geschmäckern zu tun - mit Schweiss, Speichel, Scheidenflüssigkeit, Samenflüssigkeit. Das gehört dazu – und wir sollten sowohl unseren eigenen Geruch und Geschmack (auch der Geschlechtsteile), als auch den des Partners mögen. Natürlich unter hygienischen Vorkehrungen.
Oft schenken Menschen den empfundenen Abneigungen nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade gläubige Paare, die mit der Sexualität bis zur Ehe warten, ignorieren entsprechende Alarmzeichen. Und sind dann vollkommen überrascht, wenn sie später feststellen, dass bei ihnen die sexuelle Anziehung und damit das sexuelle Begehren fehlt, ja, der andere sie vielleicht sogar abstösst. Oder sie stellen fest, dass sie sich nicht nur vor dem Körper des anderen ekeln, sondern auch vor ihrer eigenen Geschlechtsregion, den sexuellen Reaktionen oder vor Sex überhaupt.
Viele Frauen leben so sehr in ihren romantischen Vorstellungen von Verliebtheit und Liebe, da finden Körpersäfte, Körperreaktionen und Körperausscheidungen keinen Platz. Bei vielen Frauen endet die Vorstellungskraft beim schönen Hochzeitsfest. Liebe Benita, ich will Dir nicht zu nahe treten. Aber Du solltest vielleicht ein bisschen Bodenhaftung entwickeln, wie das Leben riecht. Das Leben transpiriert und dünstet, im Gegensatz zu unserer allgegenwärtigen Social-Media-Bilderwelt. Eine Beziehung die „gut läuft“, sagt noch nicht sehr viel über Verliebtheit und Anziehung aus. „Gut laufen“ kann auch heissen – wir sind beste Freunde und verstehen uns ausgezeichnet. Doch für eine dauerhafte Liebesbeziehung reicht das auf die Länge nicht aus. Deshalb sei ehrlich mit Dir selbst in Bezug auf die körperliche und sexuelle Anziehung. Gleichzeitig versuche, Deine Geruchs-, Geschmacks- und Empfindungswelt zu desensibilisieren, indem Du lernst, Dich darauf aktiv einzulassen, anstatt sie negativ zu bewerten. Das heisst - riechen wollen, schmecken wollen, empfinden wollen.
Herzliche Grüsse - Veronika