Wir brauchen sie dringend, die Vorbilder liebevoller und gleichberechtigter Paare auf Augenhöhe. Vorbildliche selbstbestimmte Lebensentwürfe, die in ihrer Gestaltung keinem der beiden Geschlechter kulturell gewachsene Grenzen setzen. Vor allem keine Grenzen allein aufgrund des Geschlechts (engl. Sex). Eines dieser so wichtigen Vorbildpaare sind Ruth Bader Ginsburg und Martin Ginsburg. Ihre Geschichte zeigt der Film ON THE BASIS OF SEX , und der Dokumentarfilm RBG – EIN LEBEN FÜR DIE GERECHTIGKEIT. Das Gegenstück einer gleichberechtigten Ehe sehen wir in – THE WIFE – dem Roman-Drama einer Frau, die ihre eigene Karriere ihrem Mann unterordnet und deren Genie ihn zum Literatur Nobelpreisträger macht. Alle drei Filme sind äusserst sehenswert.
KLEINE DAME – GROSSES FORMAT – RBG
Ruth Bader Ginsburg, 85 Jahre alt, 1 Meter 55 klein, fachlich herausragend, intellektuell brillant, dabei zurückhaltend, selbstbeherrscht und von eisernen Arbeitsdisziplin ist eine feministische Lichtgestalt und Ikone des liberalen Amerika und seit einem Vierteljahrhundert erfolgreiche Richterin am Obersten Gerichtshof der USA. Ruth Bader Ginsburg stammt aus bescheidenen Verhältnissen, verliert früh die Mutter, wächst als Jüdin in einer antisemitischen Umgebung auf. RBG – so lautet ihr inzwischen als “Hoheitszeichen” für Autorität, Integrität und Einfluss verliehenes Kürzel – erwirbt sich mit Einsetzen der sozialen Revolution in der 1960er-Jahren ein einzigartiges Fachwissen zum Thema Ungleichbehandlung von Mann und Frau. Dank ihrer hartnäckigen Arbeit und der Unterstützung durch ihren Mann beweist sie in Aufsehen erregenden Gerichtsverfahren die gesetzliche Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts.
Doch nicht deswegen hat ihr Neffe Daniel Stiepleman ihren Werdegang verfilmt. Ihn beeindruckte vor allem das Paarleben von Tante und Onkel. Im Interview mit Bruno Ziauddin im DAS MAGAZIN sagt er:
«Als meine Frau und ich heirateten, haben wir uns gesagt: Wir möchten als Paar so sein wie Onkel Marty und Tante Ruth. Mehr als ein halbes Jahrhundert führten sie diese unglaubliche Ehe! Gleichberechtigt, liebevoll, partnerschaftlich.»
Und als Motivation für den Film meint er: «Ich hatte das Privileg, das von Nahem mitzuerleben, Dieses Geschenk wollte ich mit anderen Menschen teilen.» Laut ihrem Neffen verfügt Tante Ruth über die Superkräfte der Überzeugungskraft. Der Heldin zur Seite steht im Film wie im wirklichen Leben ein Held: Der Ehemann Martin, selbst erfolgreicher Steueranwalt und ein exzellenter Koch. Sogar ein Kochbuch gibt es mit seinen legendären Rezepten, “Chef Supreme”. Gekocht für die Mitglieder des Obersten Gerichts. In aller Selbstverständlichkeit reihte er sich ein in die Tradition der “Ehefrauen”, monatlich für das Gremium der Ehepartner am Gerichtshof zu kochen.
Auslöser für den Entschluss, die Geschichte dieses Paares zu erzählen, war eine an der Beerdigung von Onkel Marty aufgeschnappte Bemerkung. «Noch kurz vor seinem Tod habe Marty gesagt: Dass er Ruth auf diesen Fall hingewiesen habe, sei die wichtigste Tat seines Lebens gewesen. Das habe ihr die Möglichkeit eröffnet, all das für die Rechte der Frauen zu tun, was sie getan hat.» Daniel Stiepelman: «Ich dachte: Was für eine grandiose Geschichte – hier ist dieses Ehepaar, das vor Gericht für dasselbe kämpft, was es zu Hause lebt.» Der Neffe berichtet im Interview, dass ihn Geldgeber nicht die wahre Geschichte des liebevollen Ehemanns, der die Karriere seiner Frau durch dick und dünn unterstützt, erzählen lassen wollten. Das sei unglaubwürdig: Er muss wütend auf sie werden, ihr mindestens mit Scheidung drohen. Doch für den Drehbuchautor Daniel Stiepelman war klar:
«Die Art, wie diese Ehe funktioniert, und Martys Rolle darin, das ist genau der Punkt!»
DIE STORY: Junge Frau schafft es an eine der elitärsten Universitäten der Welt, überwindet jede Menge sexistischer Vorurteile, schliesst das Studium mit Bestnote ab, wird währenddessen Mutter, kümmert sich gleichzeitig um den an Krebs erkrankten Mann, besucht für ihn auch noch Seminare, damit er das Studium ebenfalls abschliessen kann. Später wird sie die wichtigste Anwältin für Frauenrechte, gewinnt einen Musterprozess nach dem anderen, erhält eine Berufung ins höchste richterliche Amt des Landes, an den obersten Gerichtshof der USA – und führt auch noch diese verdammt glückliche Ehe.
MIR LIEGT DAS THEMA AM HERZEN - WESHALB ES EIN WEITERES BUCH GIBT
Mich begeistern solche Lebensgeschichten, weil sie mir Mut machen, im eigenen Leben den Traum des versöhnten Miteinanders von Frau und Mann zu leben. Und damit vielleicht als Paar sogar selbst Vorbild zu sein für die Gegenwart und nachfolgende Generationen von Paaren. Nach wie vor träume ich den Traum der göttlichen Ordnung von Gleichberechtigung in der christlichen Lebenswelt, wie sie meiner Meinung nach von Anfang an gedacht war. Deshalb habe ich ein weiteres Buch geschrieben, das im Juni 2019 im SCM-Verlag erscheinen wird: ENDLICH GLEICH! – Weshalb Gott schon immer mit Männern und Frauen rechnet.
Ich will in diesem Buch aufzeigen, was in Bezug auf die Gleichstellung von Frau und Mann in der Vergangenheit der christlichen Lebenswelt schiefgelaufen ist. Denn ohne zu erkennen, was schiefläuft, gibt es keine Umkehr und keine Neuausrichtung. Erst Erkenntnis und Reflektion machen Veränderung möglich. Deshalb ist das Buch eine Aufforderung, genau hinzusehen und hinzuhören. In diesem Fall auf die Frage der Gleichberechtigung von Frau und Mann aus Gottes Blickwinkel. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, wir haben sie nicht gewählt und nicht geprägt. Aber für das Heute können wir aus den Schlüssen der Vergangenheit etwas ändern für ein Morgen, das dem entspricht, was sich Gott für uns Menschen, weiblich und männlich, gedacht hat – von Anfang an – wiederhergestellt mit der Menschwerdung von Jesus.
Wenig Freiheit und nicht wenig Verbitterung prägt das Miteinander der Geschlechter in Gesellschaft, Partnerschaft und christlicher Gemeinschaft. Das Geschlechterunverständnis tritt gerade einmal mehr hier wie dort offen zu Tage. Es ist die Chance der christlichen Lebenswelt, die eigene Geschichte der Ungleichstellung der Geschlechter schamvoll zu betrachten, daraus die richtigen Schlüsse für einen Wandel zu ziehen und in die Tat der Geschlechterversöhnung umzusetzen. Als Zeugnis für ein gottgewolltes, solidarisches Einssein von Frau und Mann. Wie ein solches Einssein ganz praktisch aussehen könnte, das zeigt uns das Beispiel von Daniel Stiepelmans Tante Ruth und Onkel Marty. Ich persönlich brauche das Geschenk von ermutigenden Vorbildern, wir alle brauchen diese Vorbilder. Lassen wir uns beschenken.
Herzlich - Veronika