Liebe Veronika
Ich habe mit über 30 Jahren geheiratet und schon seit Beginn unserer Ehe ist das Thema Sexualität ein rotes Tuch in unserer Beziehung. Erst habe ich das auf die jahrelange starke berufliche Belastung meines Mannes zurückgeführt. Doch nun hat er mehr Zeit, aber nichts ändert sich. Mein Mann geht dem Sex total aus dem Weg. Wir können zwar über diese Tatsache reden, doch kann er mir nicht sagen, weshalb er kein Verlangen nach mir hat. Obwohl ich in ihm einen guten Freund habe, wünsche ich mir sehr einen leidenschaftlichen Liebhaber. Immer wieder fühle ich mich verletzt, abgewiesen und minderwertig. Mein Mann sagt, dass er nie gross Frauen nachgeschaut hat, kein Problem mit Pornografie hatte und auch keinen starken sexuellen Drang verspürte. Was sollen wir tun?
Theresa, 38 Jahre
Liebe Theresa
Das Männer keine Lust auf Sex haben, passt so gar nicht in unsere Köpfe. Doch in meiner Beratungspraxis begegnet mir das gar nicht so selten. Einiges habe ich schon im Blog „Lust - wo bist du?“ dazu gesagt. Ganz generell sind die sexuellen Bedürfnisse von Männern genauso unterschiedlich wie die der Frauen. Und die sexuelle Lerngeschichte ist von Mensch zu Mensch total verschieden. Auch wenn vielen jungen Männern in der Pubertät der sexuelle Drang regelrecht „nachgeschmissen“ wird, ist das eben nicht bei jedermann so. Offenbar auch nicht bei Deinem Mann.
Dazu kommt, dass ihr heiratetet, nachdem bei ihm die „dranghafte“ Zeit schon vorbei war. Diese ist so zwischen 15 und 25 Jahren. Dass er beruflich stark gefordert war, tut wohl auch einiges zur Sache. Letzthin hörte ich dazu eine eher sarkastische Redewendung, die ging so: „Welche Bevölkerungsschicht hat welche Art von Sex? – Antwort: „Arbeiter haben ganz normalen Sex, reiche Leute haben exzentrischen Sex, der Mittelstand hat keinen Sex – die müssen arbeiten….“ Daran ist wohl viel Wahres.
Ja, und was nun? Was für die Lustlosigkeit vieler Frauen gilt, gilt auch für Deinen Mann und Euch als Paar. Ihr solltet Sex lernen. Lust lernen. Sex und Lust üben. Sicherheit, Technik und Routine gewinnen. Üben bedingt, dass ihr Euch entsprechende Zeiten in Eurem Alltag einplant, in der Ihr Euch ohne Druck auf Nähe, Zärtlichkeiten, Schmusen und Experimente einlasst. Am besten, wenn ihr nicht schon todmüde seid. Zum Beispiel am frühen Abend, an einem Mittag, an einem Morgen nach dem Morgenessen. Hoch lebe das Schäferstündchen! Sex ist eine Form von Freizeitbeschäftigung.
Lasst Euch Zeit und setzt Euch nicht unter Erfolgsdruck. Wenn Ihr eine neue Sportart oder Sprache lernt, geht das auch nicht von heute auf morgen. Die vergangenen zwei Jahre habe ich Crawl-Schwimmen gelernt. Nach den ersten 10 Lektionen dachte ich, das lerne ich nie. Nicht die Technik, sondern dabei genügend Atem zu haben. Dann beschloss ich, mir ein Jahr Zeit zu geben und dreimal die Woche zu üben. Erst war ich nur schon glücklich, wenn ich die 50m schaffte, ohne danach nicht minutenlang nach Luft zu schnappen. Das alles wohlverstanden mit Flossen. Nun bin ich am vierten Kurs, habe total Freude und zieh auch mal die Flossen aus, ohne gleich halb zu ertrinken.
Sex ist wie Schwimmen lernen, oder so… Eine gute Technik hilft. Ganz entscheidend sind dabei der Kopf, der Beckenboden, die Bewegung des Körpers und der Atem, der das alles in Lust verbindet. Damit der Kopf mitmacht, würde ich Euch empfehlen, darüber zu sprechen, was Ihr in Euren Familien und Gemeinden zum Thema Sex für gesprochene und unausgesprochene Botschaften und Haltungen mitbekommen habt, die es zu entmachten gilt.
Mein neues Buch LIEBESLUST ist genau dafür geschrieben. Um Sex, Lust und Liebe zu lernen. Ich wünsche Euch von Herzen eine lustvolle Entdeckungsreise.
Grüsse - Veronika