Liebe Veronika
Du schreibst in deinem Buch " Liebe und Sex machen schön! Dass ich den anderen liebe und körperlich begehre, macht ihn in meinen Augen schön. Dass ich vom anderen geliebt und körperlich begehrt werde, macht mich in meinen Augen schön". Als ich das gelesen habe musste ich weinen. Es hat in mir meine tiefe Sehnsucht offenbart, nämlich, dass mein Partner mich schön findet. Ich bin übergewichtig. Ich hatte schon immer ein bisschen mehr Kilos, als ich soll, aber ich war immer sehr lebensfroh und beweglich. Ich tanze sehr gern.
Mein geliebter Mann fand meinen Körper nie richtig attraktiv, auch mit weniger Kilos nicht. Wir haben oft Sex und sind grundsätzlich gute Freunde. Ich weiss mein Mann liebt mich, aber nicht meinen Körper. Ich habe eine hormonelle Störung und dadurch zugenommen und auch durch die Schwangerschaften unserer 3 Kinder. Manchmal tut mir mein Mann deswegen leid und ich schäme mich für mein Aussehen. Ich leide oft sehr. Doch heute sagte mir Jesus: " Ich liebe deinen Körper, ich bin verliebt in dich." Da musste ich wieder weinen. Er liebt meinen Körper. Er findet ihn gut!
Wie kann ich lernen diesen Körper zu lieben? Mich sexy zu fühlen, wenn ich mich für den unvollkommenen Körper schäme??? Wie kann ein dicker Körper schön sein??? Ich habe versucht, darüber mit meinem Mann zu reden. Aber wir kommen nicht weiter. Immer mal wieder kämpft er damit, dass er sich von schlanken Frauen angezogen fühlt. Er ist ein gutherziger und interessanter Mann, leidet aber manchmal an seiner schwierigen Familiengeschichte.
Was soll ich tun? Ich brauche eine Ermutigung! Liebe Grüsse Arabel
Liebe Arabel
Attraktivität oder was die meisten darunter verstehen, wird eindeutig überbewertet, wenn es um Sex geht. Ich bin immer wieder erstaunt, wie erbarmungslos manche Liebespartner sich zum Aussehen des anderen äussern, als hätten sie ein Recht auf einen lebenslang makellosen Bettgefährten. Als käme es allein darauf an. Hier kommt Deine Ermutigung! Richard Rohr schreibt: „There is nothing to prove and nothing to protect. I am who I am and it’s enough.“ Übersetzt heisst das: Es gibt nichts zu beweisen und nichts zu verteidigen. Ich bin, wer ich bin und das reicht. Oder das ist genug.
Liebe Arabel, wir brauchen ein gutes Selbstgefühl, das genau so entsteht, durch Sätze wie den Deinen von Jesus. Und viele weitere solcher Sätze von Menschen, die uns wichtig sind und wir Ihnen. Und durch eigene Sätze, die wir uns selbst sagen. Das nenne ich „das heilende Selbstgespräch“. Das Problem ist nur, dass die meisten von uns schon mit einem Defizit ermutigender Zusprüche gross geworden sind. Alle – aber auch besonders wir Christen. Weil wir zwar die erlösende Botschaft von Jesus gehört haben, gleichzeitig aber wurde uns eingetrichtert, dass wir uns bemühen müssen, damit Jesus uns liebt. Das Leben und viele Botschaften haben uns gelehrt, dass es nie gut genug, nie genug ist, nie reicht. Auf hunderterlei Art und Weise wurde das uns gesagt. Torsten Hebel beschreibt in seinem soeben erschienenen Buch „Freischwimmer“ , was diese negative christliche Prägung mit uns macht: „Wer als Kind nicht gelernt hat, sich selbst zu lieben und zu achten, der versucht immer wieder, die Bestätigung für sein Leben von aussen zu bekommen.“ Und weiter: „Ich sollte erst Jahrzehnte später begreifen, dass der Mensch nicht mit einer geringen Selbstachtung oder Minderwertigkeitsgefühlen auf die Welt kommt. Diese eignet man sich im Laufe des Lebens an. Man lernt, geringschätzig von sich selbst zu denken!“
Könnte es sein, dass Dein Mann mit seiner Familiengeschichte genauso an diesen Defiziten leidet wie Du an den Deinen? Und seine Fixierung auf den schlanken Körper diesem eigenen Ungenügen entspringt? Wir müssen lernen, uns sicher zu sein, WER wir sind, WAS uns ausmacht, damit wir uns entwickeln und zeigen können, WAS in uns steckt. Versöhne Dich in erster Linie mit Dir selbst und sei stolz auf Dich. Dann kannst Du auch sehen, dass es die Aufgabe Deines Mannes ist, sich mit seinen sexuellen Idealbildern auseinander zu setzen, nicht Deine. Dann musst Du Dich für gar nichts schämen und schon gar keine Schuldgefühle haben. Das heisst nicht, dass Du Dir keine Mühe gibst, dich zu pflegen, dich attraktiv zu kleiden, dich sexuell begehrenswert und sexuell begehrend zu zeigen. Du kannst vielleicht nicht mit Idealmassen punkten. Aber ich kann dir versichern – viele Männer würden etwas dafür geben, dass ihre Frauen lebensfroh und beweglich (auch innerlich) sind und verführerisch in ihrem Wesen.
Ein schöner Körper ist nur einer von vielen Attraktionscodes und Erregungsquellen. Wir haben bevorzugte „Antörner“, auf die wir anspringen. Das mag unter anderem bei Deinem Mann der schlanke Körper sein. Wenn er nun genau das unbedingt haben möchte, was Du ihm nicht bieten kannst – ja, dann habt Ihr ein Problem. Das betrifft auch die sexuellen Vorlieben. Manchmal erlebe ich in der Beratung, dass sich Ehemänner so sehr fixieren auf eine besondere sexuelle Technik, die ihre Frau aber nicht möchte oder fixiert sind auf Vorstellungen, die sie nicht haben können, dass sie so viel Druck ausüben, bis die Ehe daran zerbricht. Obwohl sie ganz viel anderes Schönes hätten haben können. Der bekannte Sexualtherapeut Ulrich Clement sagt dazu, dass viele Menschen bei unerfüllten sexuellen Bedürfnissen verbittert werden, weil sie sich nicht entspannt sagen können, "na, dann eben nicht!"
Dein Mann hat bestimmt nicht nur einen Attraktionscode, sonst hättet ihr nicht regelmässig schönen Sex. Was Euch am anderen gefällt, Euch in der Fantasie gefällt, an sinnlichen Wahrnehmungen gefällt, löst den Erregungsreflex in den Genitalien aus. Je vielfältiger die Anziehungscodes und Erregungsquellen sind, je mehr Sinne Ihr einbeziehen könnt, desto mehr Möglichkeiten habt Ihr, die Lust auf Euren Liebespartner zu aktivieren. Anziehend ist alles, was in Euch eine emotionale Verbindung und eine genitale Erregung auslöst. Gesten, Handlungen, Worte, Rituale, Wesenseigenschaften wie Charakter, Charisma, Charme oder Intelligenz des anderen wirken anziehend, genauso natürlich auch körperliche Merkmale wie Gesicht, Augen, Hände, Figur. Dazu kommen die genitalen Merkmale des Körpers, die am anderen erregen. Die nackte Gestalt, besondere Details des Körpers, Busen, Po, Penis, Vagina, die Haut, der Geruch, vielfältigste Berührungen und Küsse aber auch die Lust des anderen und die explizit sexuellen Gesten, Handlungen, die sexuelle Sprache und Laute wie das Stöhnen. Diese befriedigen meine genitalen Bedürfnisse, machen den Liebespartner sexuell anziehend und lösen so das begehrte Ziehen und Pulsieren der Erregung aus.
Du kannst tanzen – also kannst Du auch verführen. Verführung in der Liebe ist ein Spiel mit der erotischen Unbeschwertheit, die wir uns gemeinsam in Freiheit und Intimität erschließen. Jedes Liebespaar sollte für sich eine erotische Kultur entwickeln, die erotische Spannung, Anziehung und eine gewisse „Magie des Augenblicks“ möglich macht. Was uns gefällt, kann sich im Laufe der Zeit, mit fortschreitendem Alter oder durch neue Lebensumstände verändern, und auch, indem sich die Beziehung zum eigenen Körper verändert. Mit Dauer und Vertrautheit einer sexuellen Beziehung mag ich vielleicht plötzlich andere Dinge und wir finden als Paar Möglichkeiten, sexuelle Befriedigung auf vielerlei Art zu erleben. Der schöne Körper kann nicht automatisch all diese Dinge erfüllen, falls Du das meinst. Dass Dein Mann ab und zu mit dem Verlangen nach einem schlanken Körper kämpft – dieser Kampf ist sein Kampf. Nimm ihn nicht persönlich, dann bleibt es auch seiner.
Du fragst, was soll ich tun? Nimm Dir das zu Herzen und sag das auch Deinem Mann: Grundsätzlich gilt - sexuelle Befriedigung, ein Leben lang, kommt aus dem, wie es sich anfühlt - nicht aus dem, wie es aussieht. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du ein ganzes JA zu Dir findest, unabhängig davon, wie jemand anders Dich sieht.
Ermutigende Grüsse schickt Dir - Veronika