SEX UND LIEBE IN ZEITEN DES AUFRUHRS VON EVANGELIKAL UND POSTEVANGELIKAL
WIE KANN MAN OFFEN ÜBER SEX REDEN?
UND DAS IN ZEITEN DES AUFRUHRS VON EVANGELIKAL UND POSTEVANGELIKAL?
Darüber habe ich mich mit dem Podcaster Jason Liesendahl von SCHÖNER GLAUBEN unterhalten. Über Sex, Scham, Sprachfähigkeit, Masturbation, Purity Culture, Tabuisierungen, Pornografie, Fantasie, Polyamorie, Körperwahrnehmung – und über Fragen, die aus der Online-Community gestellt wurden. Sehr konkret, gut verständlich und mit dem Finger in der Wunde. Ein intensiver und sehr informativer Talk.
Ein Nachtrag zu Polyamorie
Der grosse Theologe Karl Barth hat sie gelebt. Doch wie so häufig einseitig. Er hatte eine zweite Liebe, seine Frau Nelly Hoffmann nicht. Zu dritt haben Karl, Nelly und Charlotte von Kirschbaum unter einem Dach mit den Kindern von Karl und Nelly zusammengelebt, erst in Münster, dann in Basel. Mit mehr Tiefen als Höhen, wie die schriftlichen Hinterlassenschaften zeigen. Barth nannte die Menage à Trois eine «Notgemeinschaft zu dritt». Alle haben wahnsinnig gelitten darunter, was durch die Briefe zwischen Karl und Charlotte sehr deutlich wird, die erst 2008 öffentlich wurden.
Charlotte von Kirschbaum war Karl Barths theologische Muse aber auch Geliebte, auf die er nicht verzichten wollte. Mit dem Einzug von Lollo im Hause Barth war von vornherein klar, dass zu der Freude an der Arbeit auch eine „von allen dreien zu tragende Traurigkeit“ hinzukommen würde. Diese hat sich nie ganz aufgelöst, auch wenn neben den “strengen” Zeiten manchmal auch „humoristischen Seiten“ Platz hatten. Doch immer am Rande des Nervenzusammenbruchs. Gemeinsam sind die drei Menschen begraben. Wer Karl Barths Grab auf dem Friedhof Hörnli bei Basel aufsucht, sieht auf dem schlichten Grabstein des Familiengrabs neben seiner Frau auch den Namen «Charlotte von Kirschbaum».
Eine von vielen Quellen: «Sie gehört nun einmal zu mir» | Der Bund
AUFKLÄRUNG HILFT!
STELLVERTRETEND FÜR GANZ VIELE NACHRICHTEN, DIE MICH SEIT JAHREN ERREICHEN, TEILE ICH HIER ZWEI BESONDERS ERMUTIGENDE MIT EUCH:
SEX IST EIN GESCHENK AN DEN ANDEREN UND AN SICH SELBST
Illu: Erik Pabst Buch “SEX - Alles, was dich interessiert!” von Veronika Schmidt
Illu: Erik Pabst Buch “SEX - Alles, was dich interessiert!” von Veronika Schmidt
SEX ALS RESSOURCE BEGREIFEN
Veronika Schmidt
Sex ist dann schön, wenn er sowohl ein Geschenk an den anderen, als auch eines an sich selbst ist. Und auch von beiden als solches empfunden wird. Die Voraussetzung für schönen und lustvollen Sex ist, dass wir unseren (sexuellen) Körper kennen, und ihn für uns lustvoll einzusetzen wissen. Lustvolle Berührungen, küssen, sich gegenseitig erregen, miteinander unverschämt schönen Sex erleben, das alles kannst Du lernen. Auch Männer können noch viel dazulernen und profitieren. Wie also geht guter Sex? Das alles erklären Dir meine Bücher "ALLTAGSLUST und/oder (je nach Alter 😉 und Lebensphase) SEX, ALLES WAS DICH INTERESSIERT! Begreife Sex als Ressource für Dich selbst und für Deine Paarbeziehung. Und habt Orgasmen, das ist gesund!
WIDER DIE SEXPFLICHT!
Illu Erik Pabst: Buch “Aufgeklärt” von Veronika Schmidt
Illu Erik Pabst: Buch “Aufgeklärt” von Veronika Schmidt
GEGEN PFLICHT UND FRUST HILFT NUR DIE LUST!
Veronika Schmidt
Noch nie gab es so viele Reaktionen auf einen BLOG-Beitrag, wie zu “VAGINISMUS - DIE SEXUELLE TRAGÖDIE RELIGIÖSER FRAUEN”. Viele Frauen und auch Männer waren bestürzt, betroffen, verzweifelt, verunsichert, empört.
“Der Blog geht ganz schön unter die Haut”, schrieb eine Frau: “Ich bin unglaublich dankbar, dass ich auf meinem persönlichen Entwicklungsweg eine Beziehung zu mir aufbauen konnte, welche mir lustvollen Sex ermöglicht - obwohl ich in einem extrem engen christlichen Gemeindeumfeld aufgewachsen bin.” “Ich bin entsetzt”, schrieb eine andere Frau. Nicht so, wie ihr vielleicht denkt. Sie war entsetzt über der Tatsache, dass Sex gar keine Pflicht ist, wie sie geglaubt und ihr von ihrem Mann und der Gemeinde eingetrichtert wurde.
Die wahre Tragödie ist, dass Frauen mangels Vermittlung einer Kultur der Lust “hinhalten”, weil sie Sex nicht zu geniessen gelernt haben. Sie getrauen sich auch nicht, zu ihren eigenen Bedürfnissen und Grenzen zu stehen. Handkehrum ist es aber auch eine Tragödie, wenn Paare keine gemeinsame Sexualität leben, weil Frauen sich verweigern. Die Ursachen beider ehelicher Tiefpunkte sind auch hier in der Purity Culture, der Aufklärungsverweigerung und der Vorstellung einer Sexpflicht zu finden.
Leider gibt es Männer, die Sex einfordern. Gerne auch mit meinen Büchern in der Hand. Ein Mann sagte mir, ich würde doch in meinen Büchern schreiben, ein Paar sollte möglichst viel Sex haben. Nein, das steht nirgends in meinen Büchern. Wenn schon, steht da, ein Paar sollte möglichst viel Lust beim Sex empfinden. Es steht da, wie Frauen entgegen einer sex- und frauenfeindlichen religiösen Kultur Lust entwickeln können. Es steht da auch, wie Männer aus einer ungesunden Sexfixiertheit (die sie oft mit “Lust” verwechseln) zu sich selbst und ihrem Körper finden. Denn auch Männer leiden unter den verqueren religiösen Vorstellungen von Sex.
Die Sexpflicht wird mit der Bibelstelle in 1. Korinther 7:5 gerechtfertigt:
Keiner soll sich dem anderen verweigern, es sei denn, beide Ehepartner beschließen übereinstimmend, sich für eine begrenzte Zeit sexuell zu enthalten, um sich noch intensiver dem Gebet widmen zu können. Danach kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führt, weil ihr euch nicht beherrschen könnt. (NLB)
Über die vorangehenden und nachfolgenden Verse dieser Bibelstelle sollte man ein wenig brüten, damit sich einem Paulus Haltung zu Sex erschliesst. Vorangegangen war nämlich eine aus Paulus Sicht ungesunde Haltung der Korinther, die postulierten, am besten würden Christen gar ganz auf Sex verzichten. Also totale Askese, selbst wenn man verheiratet ist. Nach dem Motto “ein rechter Christ braucht keinen Sex”. Dem widerspricht Paulus entschieden. Was er dabei ebenfalls festhält: Sex ist etwas Gegenseitiges, Einvernehmliches, Gleichgestelltes. Darüber kann nicht eine Person allein entscheiden. Weder der Mann allein, noch die Frau allein. Wobei Männer eher über das Stattfinden entscheiden und Frauen über das Nichtstattfinden. Doch beides ist nicht in Ordnung.
Deshalb sollten wir auch über das Wort “entziehen” nachdenken. Beziehungsweise über die Gründe, weshalb Partner sich entziehen. Meistens ist es der Druck, zu müssen. Unter diesem Druck stehen auch Männer. Denn dass Mann immer will und kann ist ein weit verbreiteter Mythos, der nicht stimmt. Männern vergeht ebenso die Lust auf Sex, wenn sie unter Stress stehen, Frau und Kinder nerven und sie sich nicht verstanden fühlen. Sex in einer (langjährigen) Beziehung braucht viel dringender eine wohlwollende und wertschätzende Atmosphäre als Leidenschaft. Leidenschaft kann entstehen beim Sex, doch ohne liebevollen Umgang wird er möglicherweise gar nicht erst stattfinden.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet unterstütze ich Paulus Rat sehr, dass man sich nicht entziehen soll. Entziehen betrifft nicht nur den Sex, sondern genauso die emotionale Nähe und Verbundenheit. Sich nahe und beste Freunde sein, zwei eigenständige Persönlichkeiten bleiben (oder werden) und etwas sexuelles Know-How sind beste Voraussetzungen für ein lustvolles und befriedigendes gemeinsames Sexleben. Was, wie Paulus in 1. Korinther 7:6 sagt, eine Empfehlung ist, kein Muss:
Das ist aber nur eine Empfehlung von mir, kein Gebot. (NLB)