GIBT ES EIN SEXLEBEN NACH DER GEBURT?
KEIN WEITERES KIND, KEINE LUST, VERHÜTUNG, VASEKTOMIE ETC.
foto: annie spratt
foto: annie spratt
Liebe Veronika
Mein Mann und ich haben wundervolle Kinder. Nur leider sind wir in der weiteren Familienplanung nicht gleicher Meinung. Er will auf gar keinen Fall noch weitere Kinder. Er ist da sehr klar und strickt und lässt keine Diskussion zu. Ich hätte sehr gerne weitere Kinder, bin aber vernunftmässig „überzeugt“, dass mein Wunsch nach einer guten Ehe grösser ist als mein Kinderwunsch. Nur mein Herz macht da noch so gar nicht mit. Zudem möchte sich mein Mann gerne einer Vasektomie unterziehen, was mir fast das Herz bricht. Wie schaffe ich es, Sexualität wieder frei und schön zu erleben? Gerade falls er sich wirklich unterbinden lässt (macht er nur in Absprache mit mir). Ich will keine Hormone mehr nehmen, und auf Dauer ist verhüten mit Kondom ja auch nicht so prickelnd, NER* aber ist meinem Mann zu unsicher... Was zeigen Deine Erfahrungen mit Beziehungen, wenn der Partner sich unterbinden lässt?
Danke für Deine Hilfe!
Roswitha, 32 Jahre
*Symptothermale Verhütungsmethode
Liebe Roswitha
Ich habe diese Fragestellung gar nicht so selten in der Beratung. Manchmal geht es um das zweite Kind, das dritte oder auch das vierte. Ich möchte Dir zu Deiner Frage ein paar grundsätzliche Gedanken zum Überlegen geben. Ich beobachte immer wieder, wenn der Kinderwunsch auf Seite der Frau ist, dass diese Frauen oft schon als Kinder oder junge Erwachsene ganz bestimmte Vorstellungen hatten, wie viele Kinder sie mal haben werden. Deshalb leben sie in der Erwartung, welche Anzahl Kinder sich für sie „richtig“ anfühlt. Wenn dann diese Vorstellung nicht mit der des Mannes übereinstimmt, sind sie sehr unglücklich und fühlen sich unausgefüllt.
Doch ausgefüllt sollten wir uns eigentlich nicht mit den Kindern fühlen, sondern in uns selbst. Wir sollten uns selbst ganz fühlen und glücklich sein können. Für gläubige Menschen gehört natürlich der Aspekt des Glaubens zum Ausgefülltsein dazu. Sind wir aber nicht zufrieden mit uns selbst und dem, was wir haben, erwarten wir oft zu viel von unserer Umgebung. Vom Job, dem Ehepartner, den Kindern, Freunden, der Gemeinde usw. Kinder sind nicht dazu da, unserem Leben einen grundsätzlichen Sinn zu geben. Kinder sind eine Aufgabe des Lebens, klar, aber immer mit einer loslassenden Haltung, denn Kinder gehören sich selbst und nicht uns.
Kompromisse in der Partnerschaft finden immer auf dem Minimumfaktor statt. Das heisst, man findet sich dort, wo es noch für beide stimmt, ohne den anderen zu etwas zu zwingen. Dein Mann und Du haben sich bei Eurer Anzahl Kindern gemeinsam gefunden. Es wird der Beziehung schaden, wenn Du Dir ein weiteres Kind „ertrotzt“ oder sogar erzwingst, indem Du einfach schwanger wirst. Ich würde Dir sehr davon abraten. Des Menschen Herausforderung ist es in allen Lebenslagen, sich zu begnügen, sich genügen zu lassen, was in unserer Zeit nicht sehr populär ist. Nicht das "Haben" macht uns letztlich glücklich, sondern das "Sein". Du hast wundervolle Kinder und einen wundervollen Mann. Könnte dir das genügen? Könntest Du damit zufrieden sein? Die, die Ihr habt, sind immer noch mehr als keines – mal aus einer anderen Perspektive betrachtet.
Die Anzahl der Kinder ist letztlich auch eine Frage der Ressourcen: Kraft, Geduld, Geld, Wohnraum, Auto usw. Es bringt nichts, sich über die Kräfte hinaus zu verausgaben. Dein Mann spürt vielleicht, dass ein weiteres Kind seine Energie übersteigt. Ein weiteres Kind bedeutet - nochmals 20 Jahre voll gefordert. Mein Rat an Dich: Nimm allen Druck und alle Erwartungen weg von Deinem Mann. Allenfalls wird er dadurch bereit, sich die Kinderfrage nochmals durch den Kopf und das Herz gehen zu lassen. Möglicherweise bleibt es aber auch bei seinem Entschluss, den Du vielleicht aus Liebe zu ihm respektieren kannst.
Zum Thema Vasektomie: Unterbinden beim Mann ist eine tolle Sache! Auch für die Entspanntheit in der Sexualität ist sie nur von Vorteil. Wir haben das selbst gemacht und ich kenne ganz viele Männer, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, mit gutem Resultat. Es ist ein vergleichsweise kleiner Eingriff beim Mann. Vorübergehend kann es zu Schmerzen kommen, die aber verschwinden. Auf die Erektion und die Ejakualtion hat die Vasektomie keinen negativen Einfluss, auch nicht auf die Lust, im Gegenteil. Im Internet finden sich ganz viele Hinweise, hier nur einer davon: Vasektomie beim Mann.
Ich möchte Dir weiter sehr ans Herz legen, dass Du „Kinderhaben“, „Kinderwunsch“ und Sexualität versuchst zu trennen. Denn momentan hängt das bei Dir alles eng zusammen. Du denkst, Du könntest Sexualität nicht mehr geniessen, wenn sich Dein Mann unterbunden hat. Doch Sex und Fruchtbarkeit hängen nicht zwingend zusammen. Sexualität existiert um ihrer selbst willen. Weder im Paradies noch bei Jesus oder Paulus finden sich Fruchtbarkeitsaufforderungen (siehe ICH MÖCHTE KEINE KINDER). Und für die Sexualität wird es ganz schwierig, wenn der Kinderwunsch die grundlegende Motivation ist, Sex zu haben und zu geniessen. Denn bei diesen Paaren verschwindet die Sexualität, wenn der Kinderwunsch erfüllt ist.
Du schreibst nichts davon, ob Du meine Bücher gelesen hast. Aber das würde ich Dir sehr empfehlen. Setz Dich mit Deiner Sexualität auseinander, Dir, Deinem Mann und Eurer Beziehung zuliebe, unabhängig vom Kinderwunsch.
Ich hoffe, das hilft dir weiter. Herzliche Grüsse - Veronika
Ein Link zum Thema: ANGST VOR EINEM WEITEREN KIND
Liebe Veronika
Ganz herzlichen Dank für Deine wertvolle Antwort. Gestern hatte ich die Möglichkeit, am Nachmittag ein paar Stunden Zeit alleine mit mir und Gott zu verbringen. Dabei ist mir so einiges klar geworden. Unter anderem auch, dass ich meine Sicht auf mich und meine Familie ändern muss. ich brauche nicht noch ein weiteres Kind, um mich komplett zu fühlen. Ich will meine Augen auf meine Kinder, meinen Mann und mich als Frau/Mutter/Ehefrau richten und lernen, über diese "Dinge" richtig glücklich zu sein.
Unser letztes Kind war über Monate sehr anstrengend und hat meine Kräfte gefordert. Ich konnte mein Baby viel zu wenig geniessen. Das wünschte ich mir "nachzuholen" mit einem weiteren Kind. Diese Gedanken hatte ich mir bis anhin nicht wirklich einzugestehen gewagt, weil ich es viel zu sehr bedauerte, die Zeit nicht ausgekostet zu haben, was mich sehr schmerzt. Aber ich darf das loslassen und vorwärts schauen, auf was ich habe.
Grüsse Dir, Roswitha
Ich möchte keine Kinder
foto: liebesbegehren
foto: liebesbegehren
Liebe Veronika
Ich würde gerne wissen, was Du zu gewollter Kinderlosigkeit denkst. Ich bin seit vier Jahren verheiratet, liebe meinen Mann sehr, wir beide könnten uns aber gut vorstellen keine Kinder zu haben.
Leider erlebe ich fast nur in christlichen Kreisen, dass dieses Lebensmodell keine Akzeptanz erfährt. Entweder kriege ich zu hören: "Du bist noch jung, das kommt noch." Oder ich höre zwischen den Zeilen, dass Kinderkriegen doch die Aufgabe, Bestimmung und Erfüllung einer Frau ist. Sowieso kommt es mir vor, als könne Frau, egal wie sie sich entscheidet, nichts richtig machen. Sie muss sich immer "rechtfertigen": Ist sie Vollzeitmama, wird sie für eben dies belächelt. Arbeitet Frau als Mama Teilzeit, darf sie sich keinesfalls über die Doppelbelastung beklagen, da sie diese ja willentlich gewählt hat. Arbeitet Frau zu viel, gibt sie ihre Kinder sogar noch in eine Kita, kommt schnell der Vorwurf der Rabenmutter. Und will Frau gar keine Kinder, ist sowieso alles verloren. Oder man vermutet, diesem Entscheid liege womöglich gar eine psychische Störung zugrunde.
Ich habe gerade ein spannendes Buch zum Thema entdeckt: "Die Uhr, die nicht tickt". Meine Suche nach Beiträgen mit christlichem Hintergrund habe ich frustriert abgebrochen, da kam fast unisono: Kinderkriegen als "Pflicht", kein Kinderwunsch als Ausdruck von purem Egoismus (wobei ich mich frage, wem gegenüber man dabei egoistisch sein soll?). Komischerweise wird das Kinderkriegen nie so in Frage gestellt wie das "Nicht-Kinderkriegen". Auch scheinen Frauen diesem Druck eher ausgesetzt als Männer. Mein Mann wird nie mit solchen Aussagen konfrontiert, obwohl er 10 Jahre älter ist als ich.
Es würde mich sehr freuen von Dir zu hören. Dein Buch und Deinen Blog lese ich sehr gern und bin Dir sehr dankbar für Deine wertvolle Arbeit!
Mit lieben Grüssen, Miriam, 27 Jahre
Liebe Miriam
Danke für Deine spannende Frage. Wie viele christliche Wertmassstäbe ist das „Kinderhaben“ wohl mehr eine gesellschaftlich-kulturell hergeleitete Norm und weniger eine biblische, wurde dann aber durch die christliche Gesellschaft dazu gemacht. Auch nicht gläubige Frauen müssen sich rechtfertigen für gewählte Kinderlosigkeit. Folglich muss diese Frage eng mit dem Frauenbild verknüpft sein. Die Frau ist und bleibt die Gebärerin, ohne sie entsteht zumindest bis dato kein neues Leben. Diese Tatsache ist in allen Kulturen mythologisch besetzt. Stammbäume werden in rund 13 Prozent der weltweit 1300 ethnischen Gesellschaften über die Linie der Frau, ihrer Mutter, deren Mutter (Großmutter) und so weiter zurückverfolgt. Im konservativen und im orthodoxen Judentum ist die Mutter entscheidend für die Religionszugehörigkeit: Jude oder Jüdin ist nur, wer Kind einer jüdischen Mutter ist. Auch im Staat Israel gilt amtlich nur als Jude oder Jüdin, dessen Vorfahrinnen bis zu vier Generationen zurück Jüdinnen waren, also in rein mütterlicher Linie aufsteigend bis zur eigenen Ururgroßmutter.
Du siehst, dass Du Dich rechtfertigen musst, nicht aber Dein Mann, ist tief verwurzelt in unserem Bewusstsein. Du kommst quasi Deiner Rolle als Stammmutter nicht nach. Bis vor wenigen Jahren konnte ja nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, wie weit herum Männer Nachkommen gezeugt haben, wenn die Frauen das für sich behalten wollten. Dass Frauen heute eine echte Wahl haben, hat natürlich mit den modernen Möglichkeiten der Verhütung zu tun. Man kann diese als Segen oder Fluch sehen. Mit Bestimmtheit hat die sichere Verhütung den Frauen ein selbstbestimmteres Leben und eine Wahlfreiheit ermöglicht.
Dich interessiert jetzt, ob es eine göttliche Pflicht zum Kinderkriegen gibt. Einen göttlichen Auftrag dazu gibt es in 1. Mose 28a: Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan. Dieser Auftrag wird nochmals wiederholt nach der Sintflut in 1. Mose 9,1: Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde! Interessanterweise wird dieser Auftrag aber im Neuen Testament nicht wiederholt. Im Gegenteil, da geschehen wundersame gesellschaftliche Veränderungen durch Jesus und Paulus. Da ist nun mehr von geistlichen Kindern und geistlicher Kindschaft die Rede als von irdischen Kindern. Aber auch die irdischen Kinder und die Frauen bekommen einen ganz neuen Stellenwert, vor allem im Vergleich zur nichtjüdischen Gesellschaft. Jesus holt die Kinder in die Mitte der Gesellschaft, segnet sie, gibt ihnen Zeit und Zuwendung, ermahnt dazu, ihnen Gutes zu tun und warnt davor, zu ihnen lieblos zu sein. Dazu stellt er sie als Beispiel hin, um ins Reich Gottes zu kommen. Die Frauen wiederum werden bei Jesus und Paulus zu gleichwürdigen Gefährtinnen.
Im römischen Reich waren Frauen und Kinder vor allem ein wirtschaftlicher Faktor, gleichgestellt dem Vieh und Sachen. Sie konnten ausgewechselt, verkauft und jederzeit getötet werden. Viele Kinder zu haben, war ein Gewinn. Eine fruchtlose Ehefrau war eine Katastrophe. Natürlich war Kinderlosigkeit auch für die jüdische Frau eine Schmach. Aber die jüdische Frau war in ihrer Kultur wertgeachtet. Schönes Beispiel dafür ist Hiob, der seine Töchter zu Erbinnen berechtigte: „Und so schöne Frauen wie die Töchter Hiobs fand man im ganzen Land nicht. Und ihr Vater gab ihnen ein Erbteil mitten unter ihren Brüdern (Hiob 42, 15).
Ich glaube, dass wir heute keine Vermehrungspflicht mehr von Gott haben. Aber wir dürfen Kinder haben! Wenn wir sie wollen, sollten wir sie früh genug bekommen. Denn nach dem 32ten Lebensjahr sinkt die Fruchtbarkeit der erstgebärenden Frau ziemlich rasch. Das wollen viele Paare nicht wahrhaben und denken, sie hätten alle Zeit der Welt und unzählige medizinische Möglichkeiten, den Kindern auf die Welt zu helfen. Doch dem ist nicht so. Kinder sind ein Segen und eine Aufgabe. Vor allem eine Aufgabe. Das ist vielleicht noch wichtig zu wissen, weil wir heute davon ausgehen, dass Kinder glücklich machen sollten. Laut Forschung machen erst erwachsene Kinder glücklich! Kinder sind in verschiedenster Hinsicht ziemlich aufwändig und im Gegensatz zu früher ein wirtschaftliches Risiko. Für schwere Zeiten der Verfolgung wünscht uns die Bibel sogar, dass wir nicht gerade schwanger sind oder ein Kind stillen (Mth. 24, 20). Ich persönlich denke jedenfalls, dass Paulus genau solche Beweggründe hatte, auf leibliche Kinder zu verzichten und vor allem geistliche Kinder zu zeugen. Er wollte für das Evangelium frei sein. Dass er dafür ebenfalls auf eine Frau verzichtete, war vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass Frauen damals beim Sex ziemlich sicher schwanger wurden.
Liebe Miriam, Du hast die Qual der Wahl in aller Freiheit. Jede Entscheidung FÜR etwas ist oft eine Entscheidung GEGEN etwas. Eine Entscheidung GEGEN etwas kann die Chance FÜR etwas sein. Und wie das so ist im Leben - man ist nicht vor Zweifeln gefeit, dass man sich falsch entschieden haben könnte. Paulus hat seine Ehe- und Kinderlosigkeit als Berufung gesehen. Aus freien Stücken.
Herzlich - Veronika
Auch interessant zu lesen zum Thema: More than pretty - BLOG: Keine Kinder?
Viele Motive, um Sex zu haben.
Liebe Veronika
Seit ich die Kinder habe, ist bei mir die Motivation für Sex ziemlich verschwunden. Womit kann das zusammenhängen?
Barbara, 34 Jahre
Liebe Barbara
Unserem Wunsch, Sex zu haben, können unterschiedlichste Motive zu Grunde liegen. Einmal, um rein körperliche sexuelle Bedürfnisse zu stillen. Diese Motivation wird oft den Männern zugeschrieben. Dann möchten wir im Sex ein emotionales Bedürfnis nach Lieben und Geliebtwerden befriedigen. Dieses gestehen wir mehr den Frauen zu. Wir können auch beide Bedürfnisse gleichzeitig gestillt bekommen. Aber auch durch einen starken Schwangerschafts- und Kinderwunsch kann sexuelles Begehren ausgelöst werden. Wenn Schwangerschafts- und Kinderwunsch die einzige Motivation für Sex waren, besteht die Gefahr, dass das sexuelle Begehren verschwindet, wenn der Wunsch erfüllt worden ist. Ich möchte Dir jetzt nicht unterstellen, dass der Kinderwunsch deine einzige Motivation für Sex war. Aber ein paar grundsätzliche Gedanken zum sexuellen Begehren gäbe es schon zu bedenken.
Der Alltag mit Kindern kann ganz schön stressig sein. Nicht nur Zeitmangel, Müdigkeit und Erschöpfung hindern den Sex. Allein die dauernde körperliche Präsenz von kleinen Kindern kann bewirken, dass der Bedarf an Nähe vollkommen gestillt ist und Frauen nur noch den Wunsch haben, in Ruhe gelassen zu werden. Doch nicht alle Frauen empfinden das so. Genauso oft können es Frauen nicht erwarten, nach der Geburt endlich wieder Sex zu haben. Sie möchten mit dem Partner Zweisamkeit und erwachsene Formen von Zärtlichkeit und körperlicher Liebe erleben. Also nicht nur Mutterliebe ausdrücken, sondern auch Geliebte sein.
Sexuelles Begehren ist uns nicht einfach angeboren. Das ist eine Fähigkeit, die sich entwickelt und je nach moralischer Prägung unserer Umgebung wurde sie vielleicht sogar verhindert. Doch wenn dem so war, können wir das als Erwachsene immer noch entfalten. Unserem Hirn und unseren sensorischen Möglichkeiten sei Dank! Sexuelles Begehren bedeutet, in Gedanken und Fantasie den Wunsch nach einer sexuellen Begegnung positiv vorwegzunehmen. Zu dieser Vorstellung gehört, sich selber Lust zu machen auf sexuelle Erregung und sexuelle Aktivität. Indem wir schon gemachte positive Erfahrungen in der Erinnerung abrufen. Haben wir zu wenig positive Erfahrungen, sollten wir uns einen Vorrat an solchen zulegen. Mein Buch LIEBESLUST hilft dabei.
Körperliche Bedürfnisse sind ein wichtiger Faktor, weswegen wir gerne Sex haben. Das Testosteron hilft den Männern dabei. Frauen sollten sich einen wichtigen Aspekt der körperlichen Liebe vor Augen führen. Der Hauptmotor, sich im Sex hinzugeben, kann die Erfahrung sein, dass darin meine seelischen Grundbedürfnisse gestillt werden. Das heisst, wir können im Sex unsere Emotionen befriedigen, Sicherheit erleben, Verschmelzung mit dem Partner und Bestätigung der Beziehung erleben. Es tut der Seele gut, im Sex zu erleben, dass ich beim anderen in Sicherheit bin, in mir die Gewissheit sich festigt, dass er mich nicht verlassen wird und zu erleben, dass wir eins sind. Sex bedeutet auch, „nach Hause zu kommen“. Der Sex erfüllt mein Bedürfnis nach Wertschätzung. Ich kann darin spüren, dass ich begehrenswert oder liebenswert bin. Im Sex kann ich auch grundsätzlich die Bestätigung meiner Person finden, dass ich ein sexy Mann oder eine sexy Frau bin, dass ich sexuell kompetent bin. Das alles sind wichtige Zutaten, um Sex zu mögen.
Die Emotionen der Verliebtheit oder die romantischen Gefühle allein wecken die Leidenschaft nicht unbedingt. Auch eine gute Qualität der Beziehung oder Gefühle von tiefer Verbundenheit garantieren keine Lust auf Sex. So wie ich sexuelles Begehren ohne Liebesgefühle empfinden kann, kann das Liebesgefühl auch ohne sexuelles Begehren existieren. Um die Partnerschaft allerdings auf Dauer lebendig und leidenschaftlich zu erhalten, ist es wichtig, wenn die Lust auf Sex ihren Platz hat. Beides, das emotionale Liebesgefühl sowie der körperliche Drang nach Sex haben gleiche Berechtigung.
Frauen und Männer haben häufig einen entgegengesetzten Zugang zu ihren emotionalen bzw. körperlichen Gefühlen. Frauen finden einfacher über die Emotionen und das Liebesgefühl einen Zugang zu sexueller Erregung, zur Wahrnehmung ihres Geschlechts und zur Lust auf Sex, haben also einen Zugang von oben nach unten. Männer finden umgekehrt besser über die Erregung ihres Geschlechts und die Lust auf Sex zum Liebesgefühl und den Emotionen, also von unten nach oben. Diese beiden Wege sind gleichwertig. Es ist nicht der eine besser als der andere. In unserer Gesellschaft werden wir allerdings viel mehr zu emotionalem Lernen angeleitet als zu genitalem Lernen. Dabei wäre das körperliche Begehren ein wichtiger Faktor, um unsere Beziehungen am Leben zu erhalten.
Wenn wir körperliches Begehren in uns wecken können, ist es uns möglich, den Körper wie einen Schalter zu benutzen, um aus dem Inneren heraus Lust auf Sex „anzuknipsen“. Damit sind Sex und letztlich auch das Liebesgefühl viel weniger störungsanfällig und weniger gefährdet durch momentanen emotionalen Stress wie Alltagsbelastung, vorangegangene Unstimmigkeiten, enttäuschte Vorstellungen usw. Wir können die Motivation für sexuelle Betätigung aus dem Körper selbst holen. Wenn wir genitale Erregung lernen, steigern wir damit die Intensität des emotionalen Erlebens, ob es nun um Liebe, Sicherheitsbedürfnisse oder Selbstbestätigung geht.
Liebe Barbara, ich möchte Dir Mut machen, eine neue Lust auf Sex durch genitales Lernen mit körperlichen Mitteln zu entdecken und auf diese Weise nach sinnlichem, lustvollem Sex zu suchen.
Herzlich - Veronika